Migration

Schweizer Amerikawanderung des 
19. Jahrhunderts

Vertiefung: Not und Armut in der Ostschweiz

Die Auswanderung von Einzelpersonen aus der Schweiz fand bereits vor dem 19. Jahrhundert statt. Waren es in dieser Zeit vor allem Männer, welche sich als Söldner in fremden Diensten anheuern liessen, wurde die Auswanderung im Verlaufe des 19. Jahrhunderts erstmals zu einem Massenphänomen: Naturkatastrophen, Agrarkrisen und die daraus resultierende drückende Armut in weiten Teilen Europas und auch in der Schweiz führte viele Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen, dies in der Hoffnung auf bessere Aussichten. In der Schweiz war insbesondere die ländliche Bevölkerung von der Massenauswanderung betroffen. Die starke Bevölkerungszunahme – zwischen 1837 bis 1880 nahm die Einwohnerzahl im Kanton St. Gallen trotz der Auswanderung um rund einen Drittel zu – verschlimmerte die Lebens- und Arbeitszustände zunehmend. Dies führte dazu, dass die Kantone unterschiedliche Akzente einer Auswanderungspolitik betrieben. Der Kanton Aargau beispielsweise betrieb eine ausgesprochen aktive Auswanderungspolitik, ganz im Gegensatz zum Kanton St. Gallen, wo die Auswanderung weder verboten noch amtlich unterstützt wurde. Vielmehr spielten Ortsgemeinden – im Gegensatz zum Kanton – häufig eine aktivere Rolle. Da Ortsgemeinden sich für die Armenpflege verantwortlich zeigten, unterstützten diese häufig Auswanderungswillige aktiv, indem sie beispielsweise die Reisekosten übernahmen. Randständigen legte man eine Auswanderung nahe, es kam sogar vor, dass sie von den Ortsgemeinden abgeschoben und zur Auswanderung gezwungen wurden. Die Gemeinden handelten oft aus eigenen Interessen, da sie sich durch die Auswanderung eine Entlastung der Armenkasse erhofften.

Bis in die späten 1880er Jahre setzten sich die Auswanderungsgruppen vor allem aus Kleinbauern, Landarbeitern sowie ländlichen Gewerbetreibenden zusammen, welche in der Schweiz keine Lebensperspektive mehr sahen. Die Hauptdestinationen dieser Auswanderer stellten neben Russland vor allem die Subkontinente Amerikas dar. Am beliebtesten war als Zielland Nordamerika, welches für rund 4/5 der Schweizer Übersee-Auswanderer die Wunschdestination darstellte. Die Hoffnungen der Auswanderer beruhten darauf, im nur spärlich besiedelten Gebiet Land zu erwerben und sich dort niederzulassen. Aus diesem Grund wird in diesem Zeitraum auch von einer Siedlungswanderung nach Nordamerika gesprochen.

Die drei grossen Auswanderungswellen

Statistik der Schweizer Auswanderung von 1810 bis 1940 (Auswanderung / 1000 Einwohner)

Die Emigration aus der Schweiz fand während des gesamten 19. Jahrhunderts konstant statt, regionale und globale Voraussetzungen führten aber in diesem Zeitraum zu Phasen mit erhöhten Kennzahlen. Der vorliegenden Statistik zur Überseemigration ist zu entnehmen, dass die Auswanderung nach Amerika von drei grossen Wellen geprägt ist.

Die erste grosse Spitze in den Statistiken ist in den Jahren 1816 und 1817 zu beobachten. Der Ausbruch des Vulkans Tambora im fernen Indonesien führte zu einer globalen Klimaveränderung, von der auch die Schweiz betroffen war. Überschwemmungen und schwere Missernten führten auch im Gebiet der heutigen Schweiz zu Lebensmittelknappheit und damit zu erhöhten Nahrungsmittelpreisen. Das «Jahr ohne Sommer» und Berichte über die vorteilhaften Lebensbedingungen sowie die fruchtbaren Böden in Übersee verleiteten vor allem arme Bevölkerungsschichten zum Auswandern. In Teilen der Schweiz wanderten bis zu 10 % der ansässigen Bevölkerung aus.

Dem zweiten grossen Ausschlag in den Statistiken von 1851-1855 liegen aufeinanderfolgende Missernten zu Beginn der 1850er Jahre zugrunde. Im selben Zeitraum fand in den Vereinigten Staaten ein Konjunkturaufschwung statt. Diese Gründe führten – zusammen mit einem bis 1854 anhaltenden Preisauftrieb in der Schweiz – bis 1855 zu erhöhter Emigration, obwohl in den USA bereits 1853 ein Konjunkturumschwung einsetzte. In dieser Zeit verliessen hauptsächlich Handwerker, Gewerbetreibende und Landwirte aus dem ländlichen Milieu mitsamt ihren Angehörigen das Land. So ist beispielsweise im Kanton St. Gallen für das Jahr 1854 die Auswanderung von 413 Menschen dokumentiert. Diese Zahl stellt im Vergleich zu 74 vermerkten Überseeemigranten von 1851 eine markante Zunahme dar.

 St. Galler Übersee-Emigration im Zeitraum von 1844 bis 1890 in absoluten Zahlen

Die letzte grosse Auswanderungswelle des 19. Jahrhunderts ist in den Jahren 1880-1884 zu erkennen. Da sich gegen Ende der 1870er Jahre in Nordamerika zum ersten Mal nach Ende des Sezessionskrieges (1861-65) eine Erholung der Wirtschaftslage abzeichnete, welche in den 80er Jahren in eine Hochkonjunktur mündete, während sich zeitgleich die Wirtschaftssituation in der Schweiz gegenteilig entwickelte, entschlossen sich viele Schweizer, ihr Glück in Übersee zu suchen. Der sinkende Weltmarkpreis für Getreide führte dazu, dass unzählige Schweizer Bauern in den Ruin getrieben wurden, da sie auch aufgrund anhaltender Probleme der Güterzerstückelung nicht mit der ausländischen Konkurrenz mithalten konnten. Auf der anderen Seite förderte der «Homestead Act», welcher 1862 in den USA in Kraft trat, die Siedlungswanderung und Erschliessung des Staatsgebietes der USA massgebend. Wer mindestens 21 Jahre alt oder ein Familienoberhaupt war, konnte zu einem symbolischen Preis ein Stück Land erwerben. Nach fünfjähriger Kultivierung wurde man automatisch zum Eigentümer dieses Grundstücks. Diese Konstellation führte zur dritten Auswanderungswelle, welche von 1880 bis 1884 anhielt und im Jahre 1883 einen neuen Höchststand seit 1854 erreichte.

Not und Elend

Übersicht über die Preisentwicklung von 1811 bis 1817 auf der Hungertafel aus dem Ortsmuseum Oberuzwil

Die erste grosse Auswanderungswelle nach Amerika als Folge des «Jahrs ohne Sommer» hatte seine Ursache primär in der prekären Ernährungslage grosser Teile der Schweiz. Ernteausfälle führten in diesem Zeitraum zu einem enormen Anstieg der Lebensmittelpreise. Diese Teuerung bedrohte viele Familien in ihrer Existenz. Einen Einblick in die Preisentwicklung gewähren Artefakte wie die dargestellte Hungertafel aus dem Toggenburg. Auf der Tafel stehen die Preise diverser Lebensmittel für die Jahre 1811 und 1817 einander gegenüber. So ist auf der Hinterglasmalerei unter anderem Folgendes zu lesen:

«Chronologische Bemerkung der zwei denkwürdigen Jahre 1811 und 1817.»

«Wohlfeile Zeit…
Im Jahre 1811 galt ein Sack Korn, 13-14 Gulden; ein Vrt. Gerste, 2-3 Gulden…»

«…Obst und andere Feldfrüchte hatten beinahe keinen Wert. Dabei der Verdienst noch so gut, dass auch jedermann ein Brot zu verdienen im Stande war.»

«Grosse Teuerung. Im Juni 1817 galt ein Sack Korn in Rohrschach 106 Gulden; ein Vrt: Gerste, 11-12 Gulden…»

«…Dazu der Verdienst noch so schlecht, dass viele tausend Menschen ohne Arbeit und ohne Brot des Hungers sterben mussten.»

Während nicht bloss ärmere Bevölkerungsschichten von den schlechten Ernten und der damit einhergehenden Teuerung der Lebensmittel betroffen waren, spürten sie die Konsequenzen dennoch am heftigsten. Häufig wurden mit dem Verkauf des eigenen Hab und Guts die benötigten finanziellen Mittel zum Aufbruch nach Amerika aufgetrieben.

Die Ostschweiz am Hungertuch

Ehe-, Geburts-, und Todtenliste für Appenzell Ausserrhoden im Jahr 1817

In den Jahren 1816 und 1817 verzeichnete man in der Schweiz die erste Massenflucht des 19. Jahrhunderts. Der Ausbruch des Vulkans Tambora im fernen Indonesien führte zu einer globalen Klimaveränderung, von der auch die Schweiz betroffen war. Überschwemmungen und schwere Missernten führten auch im Gebiet der heutigen Schweiz zu Lebensmittelknappheit und damit zu erhöhten Nahrungsmittelpreisen. Ruprecht Zollikofer beschreibt in seinem Werk «Das Hungerjahr 1817» auf eindrückliche Weise, wie stark die Einwohner Appenzell Ausserrhodens unter den klimatischen Veränderungen und der daraus resultierenden Hungersnot gelitten hatten. Die hier abgebildete «Ehe-, Geburts-, und Todtenliste 1817» gibt Auskunft über die Anzahl Ehen, Geburten («Gewordene») und Todesfälle («Gestorbene») des Jahres 1817. Die hintere Sitter umfasst die Gemeinden Herisau, Urnäsch, Schwellbrunn, Stein, Hundwil, Waldstatt und Schönengrund. Zollikofer beschreibt, dass die hintere Sitter normalerweise in einem Jahr rund 640 Todesfälle zu beklagen hatte. Mit 1’754 Gestorbenen verdreifachte sich diese Zahl im Jahre 1817 beinahe. Im selben Jahr kam es auch bei der Zahl der Geburten und der Eheschliessungen zu markanten Abweichungen: Anstatt der durchschnittlich 650 Neugeborenen verzeichneten sie nur deren 488. Die 87 Trauungen, welche 1817 vollführt wurden, entsprach nur etwa der Hälfte des durchschnittlichen Wertes der vorangegangenen Jahre. Zur vorderen Sitter zählen die Gemeinden Trogen, Speicher, Teufen, Gais, Heiden, Bühler, Wolfhalden, Rehetobel, Wald, Grub, Walzenhausen, Lutzenberg und Reuthe. In diesem Gebiet zählte man vor 1817 pro Jahr durchschnittlich 850 Geburten, 800 Todesfälle und 235 Eheschliessungen. Im Jahr 1817 verzeichnete die vordere Sitter 601 Geburten, 1’819 Todesfälle und 83 Eheschliessungen.

Der vermeintliche Überfluss in Nordamerika

Auszüge aus dem «Wahre Übersicht aller Vortheile, welche ein Kolonist des Rothen-Flusses in Nordamerika zu erwarten und zu geniessen hat» Rudolf von Mays aus dem Jahre 1820

Neben den immer wieder ungünstigen Lebensverhältnissen in der Schweiz und der damit verbundenen Angst vor sozialem Abstieg und der Gefährdung der Existenzgrundlage breiter Bevölkerungsschichten regte auch die Hoffnung auf eine bessere Perspektive in Übersee viele Personen zur Auswanderung an. Positive Berichte in Briefen von Bekannten und Verwandten erleichterten Betroffenen den Entschluss zur Auswanderung und heizten so weitere Emigration an. Exemplarisch für diesen Sachverhalt wird im Buch «Wahre Übersicht aller der Vortheile welche ein Kolonist des Rothen-Flusses in Nordamerika zu geniessen hat» unter anderem das Folgende berichtet:

«Da die unabsehbaren Wiesen jedem Kolonisten zum Weiden und Abmähen freistehen, so geben sie ihnen das leichteste Mittel an die Hand, die Schaf- und Viehzucht so ins Grosse so treiben, als sie nur immer wünschen mögen, und sich dadurch eine eben so sichere als ergiebige Quelle des Reichtums zu eröffnen.»

«Das Klima ist gemässigt und gesund, der Boden fruchtbar und leicht zu bearbeiten; alles was man säet und pflanzt gedeiht vortrefflich»
«Kurz kein Teil von Amerika, und kein Land in der Welt bieten dem Kolonisten, der sich dort niederlassen will, so viele Annehmlichkeiten und Vorzüge dar, wie diese schöne Kolonie.»

Genau dieses Werk gilt auch als Beleg dafür, dass die Berichte aus Übersee nicht zwingend glaubwürdig sein mussten. So fand eine vom Autor Rudolf von May nach Amerika gelockte Gruppe von Auswanderern am genannten Zielort bei ihrer Ankunft eine noch misslichere Lage als in der Heimat vor. Rudolf von May bietet in seinem Buch gleich auch eine Reiseroute und einen entsprechenden Vertrag an, um selbst an den Auswanderern zu profitieren. Ein harter Winter und aufgezehrte Vorräte sorgten in diesem Fall und vermutlich in vielen weiteren zu grossem Leid in Übersee. In diesem Licht kann auch die zeitnahe Entstehung von Auswanderungsagenturen, welche damit begannen, Werbung zu schalten und den Auswanderungswillen innerhalb der Schweiz zu fördern, betrachtet werden. Mit dem Aufkommen der Massenmedien (Zeitungen, Bücher, Abschriften von Briefen) Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die Informationsbeschaffung enorm vereinfacht und beschleunigt, wobei positive Beispiele aus den Schilderungen die Norm darstellten und für das Entstehen eines Bilds von Amerika als Land des Überflusses sorgten. Da die Verhältnisse in den USA während der Krisenzeiten in der Schweiz tatsächlich günstiger als diejenigen in der Heimat waren, wurden die Strapazen und Gefahren der Reise und der schwierige Start in Übersee häufig heruntergespielt oder verheimlicht. Die Ursache hierfür war zum einen die Tatsache, dass die Auswanderung vom Staat, in der Hoffnung damit die Armenkasse entlasten zu können, begrüsst wurde. Zum anderen meldeten gescheiterte Auswanderer sich eher selten bei Daheimgebliebenen.

Auswanderungsbericht von 1845: Andere Zeiten, ähnliche Inhalte

Auszüge aus dem Auswanderungsbericht von Heinrich Huber, 1845

Heinrich Huber, Altgemeinderatsschreiber und Abgeordneter der Gemeinde Wallenstadt, verfasste 1845 einen «Bericht über das Auswandern nach Amerika». Im Februar 1844 wurde er von der Gemeinde Wallenstadt abgeordnet, nach Amerika zu reisen, um zu erfahren, welchen Umständen Auswanderer nach Übersee ausgesetzt sind. Nach rund 14 Monaten kehrte er in die Schweiz zurück und sah sich im April 1845 in der Pflicht, seine Erfahrungen der breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Ihm war vor allem wichtig, dass zukünftige Auswanderer von seinen Erlebnissen und Ratschlägen profitieren konnten. Huber selbst beabsichtigte, noch im kommenden Sommer nach Amerika zurückzukehren.

Hubers Bericht beginnt mit der Beschreibung des Transportes von Sargans nach Le Havre, von wo er die Seereise in einem Dreimaster mit dem Namen Dublin antrat. Er beschrieb die Schifffahrt als wenig beschwerlich, da er bei schönem Wetter den Grossteil der Reise auf dem Verdeck an der frischen Luft verbringen konnte. Trotz guten Bedingungen dauerte die Überfahrt nach New Orleans 44 Tage.

In seinem 55-seitigen Bericht geht Huber vor allem auf die Möglichkeiten in der Bewirtschaftung des Landes ein. So beschreibt er auf etlichen Seiten die Viehzucht, das Klima, den Weinbau und die Bienenzucht oder auch wie das hier abgebildete Kapitel über «Der Ackerbau und die Prärien in Illinois». Er beschreibt dabei detailliert, inwiefern sich die Voraussetzungen, verglichen mit der Schweiz, ähneln oder wo es Unterschiede gibt. Seine Beschreibungen sind stark von seinen persönlichen Erfahrungen geprägt und man merkt durchwegs, dass er begeistert ist von Nordamerika.

Profit auf Kosten der Auswanderer: Der Staat greift ein

Auszug aus dem «Schweizerischen Bundesgesetz betreffend den Geschäftsbetrieb von Auswanderungsagenturen vom 22. März 1888»

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es kaum Gesetze, welche die Auswanderung in andere Staaten reglementierten oder beeinträchtigten. Daraus resultierte in gewissen Fällen, dass Auswanderungswillige von zwielichtigen Agenturen in der Schweiz oder in der Wunschdestination ausgebeutet wurden. Erst ab Mitte des 19. Jahrhunderts kamen Stimmen auf, welche eine Reglementierung und Unterstützung der Auswanderung durch den Staat forderten. Die hier abgebildeten Gesetzesartikel stammen aus dem «Ratgeber für schweizerische Auswanderer nach den Vereinigten Staaten von Amerika», welcher im Auftrag des eidgenössischen Departements des Auswärtigen verfasst wurde. Dieser Ratgeber wurde 1893 herausgegeben, die Gesetzesartikel stammen aus dem Jahr 1888.

Unter Artikel 11 wird beispielsweise aufgelistet, unter welchen Umständen den Agenturen eine Beförderung von auswanderungswilligen Personen untersagt ist. Artikel 15 legt die Verpflichtungen der Agenturen gegenüber den Auswanderern fest. Des Weiteren werden in Artikel 17 alle Punkte aufgelistet, welche in einem Auswanderungsvertrag enthalten sein müssen. Mithilfe dieses Ratgebers konnten sich Auswanderer über ihre Rechte und Pflichten informieren und sich vor der Ausbeutung durch Reiseagenturen schützen.

Die Entwicklung der Überfahrt: Vom Glücksspiel mit dem Wind zur Sechstagereise

Das Zwischendeck eines Auswanderungsschiffes, abgebildet auf einem Holzstich von Franz Kollarz aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts

Eine Reise auf einem Ozeandampfer wird heute mit der Vorstellung von Luxus und Eleganz verbunden. Für Reisende der oberen Gesellschaftsschichten mag dies vielleicht ab Ende des 19. Jahrhunderts zutreffend gewesen sein, doch für Passagiere früherer Zeiten war die Seereise ein beschwerliches, meist auch gefährliches Abenteuer. Die industrielle Revolution und deren technischen Neuerungen fanden auch in der Schifffahrt Einzug. Der Bau von grossen Ozeanschiffen war aufgrund der immer stärker zunehmenden Kolonialisierung vor allem darauf ausgelegt, Handelswaren und Post möglichst schnell über die Meere zu transportieren. Dementsprechend gab es kaum Räumlichkeiten, welche für die Unterbringung von Passagieren geeignet waren. Der Grossteil der Passagiere musste die Überfahrt dicht gedrängt im Zwischendeck verbringen, wo sie häufig an Typhus oder Cholera erkrankten. Diese Zwischendecks, in denen die Auswanderer untergebracht waren, dienten auf der Rückfahrt als Ställe für das verfrachtete Vieh.

 Der oben abgebildete Holzstich von Franz Kollarz aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, nach einer Skizze von W. Wiegmann, ermöglicht uns eine gewisse Vorstellung dessen, wie es in einem solchen Zwischendeck in etwa ausgesehen haben könnte. Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als die Linienschifffahrt entstand und der Bau von Passagierschiffen einsetzte, begann sich diese Situation allmählich zu ändern. Zeitgleich fand auch die Lithographie grössere Verbreitung, wodurch das Plakat zum bevorzugten Werbemedium der Schifffahrtsunternehmen wurde. Die Plakate im 19. Jahrhundert enthalten zusätzliche Informationen über die befahrenen Routen oder weitere Auskunftsmöglichkeiten, wie das hier abgebildete Beispiel. Der oben abgebildete Holzstich von Franz Kollarz aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, nach einer Skizze von W. Wiegmann, ermöglicht uns eine gewisse Vorstellung dessen, wie es in einem solchen Zwischendeck in etwa ausgesehen haben könnte.

Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als die Linienschifffahrt entstand und der Bau von Passagierschiffen einsetzte, begann sich diese Situation allmählich zu ändern. Zeitgleich fand auch die Lithographie grössere Verbreitung, wodurch das Plakat zum bevorzugten Werbemedium der Schifffahrtsunternehmen wurde. Die Plakate im 19. Jahrhundert enthalten zusätzliche Informationen über die befahrenen Routen oder weitere Auskunftsmöglichkeiten, wie das hier abgebildete Beispiel. Das Schiff nimmt vergleichsweise eher wenig Platz ein, dafür sind zusätzlich zwei Häfen abgebildet sowie der Hinweis, dass bei Rommel & Co. in Basel weitere Auskunft eingeholt werden kann. Auf diesem Plakat der Hamburg-Amerikanischen Packetfahrt-Actien-Gesellschaft (Hapag) ist die Fürst Bismarck abgebildet, ein Passagierschiff, welches 1891 das erste Mal in See stach. Sie bot Platz für 420 Passagiere der ersten Klasse, 172 Personen der zweiten Klasse sowie 700 Personen im Zwischendeck. Mit einer Dauer von 6 Tagen ermöglichte die Fürst Bismarck eine der kürzesten Reisezeiten nach Nordamerika.

Schiffsplakat der «Hamburg-Amerikanische Packetfahrt A.G.» aus dem Jahre 1893

Quellenverzeichnis

Titelbild
Moosmann U. [o.J.]. Hungertafel 1811/1817. Foto: Oberuzwiler Ortsmuseum im alten Statthalterhaus.

Die drei grossen Auswanderungswellen
Ritzmann, H. (1992). Eine quantitative Interpretation der schweizerischen Übersee-Emigration im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Kurvenverlauf und regionale Konzentration als Gegenstand von Regressionsanalysen. In Itinera. Der Weg in die Fremde (S.195–250). Basel: Schwabe & Co. AG, S. 199.
Grafik Übersee-Emigration aus dem Kanton St. Gallen (19.03.2018). In Elsener, M. Emigration: St. Galler flüchteten nach Amerika. In St. Galler Tagblatt. Online unter: https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/emigration-stgaller-fluechteten-nach-amerika-ld.1011891 (30.05.2020).

Not und Elend
Moosmann U. [o.J.]. Hungertafel 1811/1817. Foto: Oberuzwiler Ortsmuseum im alten Statthalterhaus.

Die Ostschweiz am Hungertuch
Zollikofer, R. (1818). Das Hungerjahr 1817. Erster Theil: Schilderung unseres Elendes. Der Osten meines Vaterlandes oder die Kantone St. Gallen und Appenzell im Hungerjahr 1817. Ein Denkmal jener Schreckens-Epoche. St. Gallen: Zollikofer und Züblin, Tabelle I. Online unter: ETH-Bibliothek Zürich, https://doi.org/10.3931/e-rara-65216/Public Domain Mark.

Der vermeintliche Überfluss in Nordamerika
von May, R. (1820). Wahre Uebersicht aller der Vortheile welche ein Kolonist in der Kolonie des Roten Flusses in Nordamerika zu erwarten und zu geniessen hat. o.O.: o.V., S. 4–5; 8–11.

Auswanderungsbericht von 1845: Andere Zeiten, ähnliche Inhalte
Huber, H. (1845). Bericht über das Auswandern nach Amerika. Verfasst und herausgegeben von Heinrich Huber, Altgemeindrathsschreiber und Abgeordneter der Gemeinde Wallenstadt im Kanton St. Gallen. Ragatz: Buchdruckerei Rudolf Unteregger, S. 19–23.

Profit auf Kosten der Auswanderer: Der Staat greift ein
Verfasst im Auftrag des eidg. Departements des Auswärtigen von dem eidg. Auswanderungskommissariat in Bern und der schweiz. Gesandtschaft in Washington (1893). Ratgeber für schweizerische Auswanderer nach den Vereinigten Staaten von Nordamerika. Bern: Buchdruckerei Körber, S. 18–23.

Die Entwicklung der Überfahrt: Vom Glücksspiel mit dem Wind zur Sechstagereise
Kollarz, F. (2. Hälfte 19. Jahrhundert). Freundeskreis des Deutschen Auswandererhauses Bremerhaven.
o.A. (um 1890). Plakat Hamburg-Amerikanische Packetfahrt A.G. beste Route nach Chicago. Berlin: J. Aberle & Co. Foto: Museum für Gestaltung Zürich, Plakatsammlung, ZHdK.

Sammelbibliographie

Bernasconi, S. (2019). Von Heimatlosen, Arbeitsmigranten und Geflüchteten. Migration als Problem im Kanton St. Gallen (1803–2018). In Gemeinnützige Gesellschaft des Kantons St. Gallen (Hrsg.). Eine St. Galler Geschichte der Gegenwart. Sozialhistorische Einblicke ins 19. und 20. Jahrhundert (S. 43–70). St. Gallen: Verlagsgenossenschaft St. Gallen.

Cadringher, G. & Wealleans, A. (2009). Schiffsplakate: 1873–1962. München: Hirmer.

Hagmann, W. (2003). St. Gallische Wirtschaftsflüchtlinge im 19. Jahrhundert. In Sankt-Galler Geschichte 2003. Bd. 5. Die Zeit des Kantons 1945–2000 (S. 99–120). St. Gallen. Niedermann Druck.

Head-König, A. (2007). Auswanderung. In Historisches Lexikon der Schweiz. Online unter https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/007988/2007-10-15/ (06.12.2020).

Holenstein, A., Kury, P. & Schulz, K. (2018). Schweizer Migrationsgeschichte. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Baden: Hier + Jetzt.

Huber, H. (1845). Bericht über das Auswandern nach Amerika. Verfasst und herausgegeben von Heinrich Huber, Altgemeindrathsschreiber und Abgeordneter der Gemeinde Wallenstadt im Kanton St. Gallen. Ragatz: Buchdruckerei Rudolf Unteregger.

Verfasst im Auftrag des eidg. Departements des Auswärtigen von dem eidg. Auswanderungskommissariat in Bern und der schweiz. Gesandtschaft in Washington (1893). Ratgeber für schweizerische Auswanderer nach den Vereinigten Staaten von Nordamerika. Bern: Buchdruckerei Körber.

Ritzmann, H. (1992). Eine quantitative Interpretation der schweizerischen Übersee-Emigration im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Kurvenverlauf und regionale Konzentration als Gegenstand von Regressionsanalysen. In Itinera. Der Weg in die Fremde (S.195–250). Herausgegeben von der Allgemeinen Geschichtsforschenden Gesellschaft der Schweiz. Basel: Schwabe & Co. AG.

von May, R. (1820). Wahre Uebersicht aller der Vortheile welche ein Kolonist in der Kolonie des Roten Flusses in Nordamerika zu erwarten und zu geniessen hat. o.O.: o.V.

Zollikofer, R. (1818). Das Hungerjahr 1817. Erster Theil: Schilderung unseres Elendes. Der Osten meines Vaterlandes oder die Kantone St. Gallen und Appenzell im Hungerjahr 1817. Ein Denkmal jener Schreckens-Epoche. St. Gallen: Zollikofer und Züblin, Tabelle I. Online unter: ETH-Bibliothek Zürich, https://doi.org/10.3931/e-rara-65216/Public Domain Mark.

Die Autoren

Jonas Altwegg

Sandro Tieber

Lehrpersonen-Login

Im Bereich für Lehrpersonen finden Sie Unterrichtsmaterialien zu diesem Thema.