Medizin

Die Ideologisierung des Körpers in Europa im 19. und 20. Jahrhundert

Vertiefung: Turnen in der Schweiz, Turnen für die Schweiz

Insbesondere in Städten, in denen sich wohlhabende Kaufleute im Zuge der Urbanisierung niederliessen, konnte sich das bürgerliche Familienbild während der Sattelzeit (1750–1850) entwickeln . Charakterisierend für die bürgerliche Familie ist die strikte Rollenverteilung innerhalb der Familie. Während sich der Mann um die sogenannten ausserhäuslichen Pflichten kümmerte, etwa das Einkommen für die Versorgung der Familie oder die sozialen Kontakte, war die Frau fast ausschliesslich für den Haushalt und die Kindererziehung verantwortlich. In Familien des Proletariats (Arbeiterklasse) wurde dieses Familienmodell zwar schon früh angestrebt. Da das Gehalt der Väter dieser Familien in der Regel aber nicht für die Versorgung der Familie ausreichte, mussten die Frauen und vielfach auch die Kinder ebenfalls einer Arbeit nachgehen.

Viele Familien, insbesondere deren Mütter, gerieten in Konflikt mit den vorherrschenden Erwartungen, welche an sie gestellt wurden. Zum einen galt die bürgerliche Familie, in welcher die Frau sich vollkommen der Erziehung der Kinder und dem Haushalt widmen konnte, als Ideal. Andererseits waren Familien aus der Arbeiterschicht auf das Einkommen der Frau, auch wenn dieses in der Regel nicht sehr hoch ausfiel, angewiesen.

In eben diesem Konflikt zwischen guter Mutter und Mitverdienerin sah sich die Leserin G., welche sich an die Redaktion der «Schweizer Frauen-Zeitschrift» wandte. Wie aus ihren Schilderungen hervorgeht, war es aus ihrer Sicht unumgänglich, dass sie ebenfalls zum Einkommen der Familie beisteuerte, weil das Einkommen ihres Mannes nicht ausreichend war. Dafür kommt ein weiterer Aspekt hinzu, der sie in ein Dilemma bringt. Im Jahre 1912 brauchte eine Frau von Gesetzes wegen die Erlaubnis ihres Ehemannes, um einer Arbeit nachgehen zu dürfen. Der Leserbrief zeigt das vorherrschende Ungleichgewicht zwischen Mann und Frau in der Familie zu dieser Zeit auf. Die Frau muss dafür kämpfen, einer Arbeit nachgehen zu dürfen, weil ihr Mann mehr als dreimal wöchentlich seinen Vereinstreffen beiwohnen will. Noch deutlicher wird dieses Ungleichgewicht, wenn man sich bewusst macht, dass das Einkommen der Frau von existenzieller Notwendigkeit war.

 

Die Grafik zeigt die Veränderung der Bevölkerung nach Geburtsortklassen nach Messungen aus den Jahren 1860 und 1900, teilweise bis ins Jahr 2000. Hier zeigt sich eine Binnenwanderung in Folge der Niederlassungsfreiheit, die im Jahre 1848 neu in der Bundesverfassung verankert wurde. Nötig wurde diese neue Niederlassungsfreiheit, um den grossen Bedarf an Arbeitskräften in den neu entstandenen Industrieregionen zu ermöglichen. Diese Veränderungen der Bevölkerungsstruktur formte auch neue Sozialstrukturen. Dies war häufig nicht unproblematisch, da durch die unentwickelte Gesetzgebung vor allem Kinder, die häufig schon früh in Erwerbsarbeit eingebunden waren, und Frauen, die häufig neben der Familienfürsorge mit zusätzlicher Erwerbsarbeit belastet waren, grossem sozialen Druck und Ungerechtigkeit ausgesetzt waren. Dies führte zur sozialen Frage.

Für den Anstieg der Migrationsbewegungen waren verschiedene Faktoren ausschlaggebend. Der wirtschaftliche Aufschwung, die Industrialisierung und ihre spezifisch neuen Produktions- und Organisationsstrukturen, die Vielfalt des Stellenangebots, die besseren Infrastrukturen sowie die grösseren Angebote an Bildung und Kultur zogen vor allem junge und ledige Menschen beiderlei Geschlechts in die Städte.

Zwar war nun legal eine Binnenwanderung möglich, es entstand aber eine Sozialschicht von meist unqualifizierten Niedriglohnbezügerinnen und -bezügern. Diese waren gesetzlich nicht vor Lohnausfall/Lohnminderung geschützt und häufig der Willkür ihrer Arbeitgeber ausgeliefert. Ohne gesetzlichen Schutz konnten die Beschäftigungsbedingungen durch die Arbeitgeber zu deren maximalen Vorteil ausgelegt werden, die körperliche und seelische Unversehrtheit von Angestellten musste dabei gar nicht bis nur minimal berücksichtigt werden und begünstigte so folgend beschriebene Probleme.

Menschen, die nur saisonbedingt Binnenwanderungen vollzogen, etwa durch einen zeitweiligen Anstieg der Nachfrage nach Arbeit an einem Ort, etwa infolge der Durchführung eines grossen Bauvorhabens, oder auf die spezifischen Beschäftigungs- und Anstellungsverhältnisse in einigen Branchen (z.B. im Tourismus), waren noch mehr von Armut oder Verwahrlosung bedroht.

Auch durch die industrielle Restrukturierung der Landwirtschaft konnten dort nicht mehr so viele Menschen beschäftigt werden. Dies führte gesamthaft, abgesehen von den Tourismusregionen, zu einer noch grösseren Abwanderung der Bevölkerung vom Land in die Stadt, wo Frauenhäuser Problemfälle auffangen sollten.

 

Im 19. Jahrhundert wurde die Wissenschaft als Bezugsgrösse der Medizin immer wichtiger. Der Körper als Teilaspekt der Medizin gewann dadurch an Bedeutung. Auch der zunehmende Nationalismus, die Industrialisierung und die darauf reagierende Lebensreformbewegung massen dem Körper eine wichtige Bedeutung zu. Neue Forderungen in Bezug auf körperliche Freiheit, Gesundheit oder das Verhältnis zwischen Staat und Körper wurden laut. Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelten sich verschiedene Vorstellungen über die Bedeutung des Körpers und den Umgang mit ihm. Das Gedankengut mancher dieser Strömungen spielte bis weit ins 20. Jahrhundert hinein eine tragende Rolle.
Drei zeitlich parallel existierenden Strömungen, die sich mit dem Körper und seiner Funktion in der Gesellschaft befassten und dabei den Körper ganz unterschiedlich idealisierten, werden hier kurz beleuchtet: Eine Strömung war die eher klassenorientierte «Körperkulturbewegung» als Teil der Lebensreformbewegung. Daraus entstanden Vorläufer grün-alternativer Bewegungen, welche die Freiheit des Körpers ins Zentrum ihrer Überlegungen stellten und sich gegen die wachsende Industrialisierung, Urbanisierung sowie Globalisierung wehrten. Auch die Freikörperkultur ist ein Kind dieser Strömung. Eine zweite, «völkische» Strömung setzte sich zum Ziel, durch bestimmte Körperideale die Nation zu vereinen. Dadurch wurde der Körper des Einzelnen dem Interesse des Staates unterworfen und es entstand die Vorstellung eines «Staatskörpers», der geformt und gestärkt werden müsse. Diese nationale Prägung wies die in Deutschland im 19. Jahrhundert entstehende Turnbewegung auf, die vor allem vom traditionellen Klein- und Bildungsbürgertum getragen wurde und die zu Beginn des 19. Jahrhunderts auch in der Eidgenossenschaft Fuss fassen konnte.
Bis heute von grosser Bedeutung ist die dritte Strömung, welche die Selbstoptimierung des Körpers ins Zentrum rückte. Die entscheidende Frage der aufsteigenden Vertreter der Mittelschicht lautete: Wie optimiere ich meinen Körper, um in der kapitalistischen, von Leistung und Wettbewerb geprägten Welt einen Vorteil zu haben? Diese drei im 19. Jahrhundert entstandenen Bewegungen prägen unsere Lebensweise bis heute.

Nackte Körper auf dem Monte Verità

Rudolf von Labans Tanzgruppe am Ufer des Langensees bei Ascona (1914)

Die Industrialisierung im 19. Jahrhundert war gezeichnet durch starke Eingriffe des Menschen in die Umwelt. Durch die Industrialisierung und Urbanisierung veränderte sich der Alltag in allen Gesellschaftsschichten und althergebrachte gesellschaftliche Werte waren im Umbruch. Die Reaktionen auf und die gedankliche Auseinandersetzung mit diesen Veränderungen waren ganz unterschiedlich. Unter dem Begriff der «Lebensreform» entstanden verschiedene Bestrebungen zur Erneuerung der Lebensführung. Auf dem Hügel Monsecia am Langensee entstand am Anfang des 20. Jahrhunderts das Naturheilsanatorium Monte Verità. In diesem Sanatorium wollten die Lebensreformer das gesunde Leben nahe an der Natur pflegen und lehren. Dazu gehörten u. a. Diäten wie Vegetarismus und Veganismus sowie das Sonnenbaden. Damit der Körper das Sonnenlicht gut aufnehmen könne, so die Überzeugung, sollte man sich nackt der Sonne aussetzen.

Diese Nacktheit gewann in der Zeit von 1913–1919 weiter an Bedeutung. In dieser Zeit entwickelte sich der Ausdruckstanz auf dem Monte Verità. In diesem Zusammenhang wurde der nackte Körper nicht mehr primär als sexuell aufreizend, sondern als natürlich und modisch betrachtet. Rudolf von Laban war eine Schlüsselfigur in der Entwicklung und Verbreitung des Ausdruckstanzes auf dem Monte Verità. Er eröffnete dort 1913 die «Schule für Kunst», eine Sommerschule, in der er den Ausdruckstanz unterrichtete. In seinem Werk «Gymnastik und Tanz» erläuterte Rudolf von Laban seine Ansichten und seine Tanzform. Er erblickte im Tanz «die Beschützerin des menschlichen Lebens in der fortschreitenden Zivilisation». Auf dem Bild sieht man Rudolf von Laban mit seiner Tanzgruppe am Ufer des Langensees bei Ascona. Dabei fällt speziell die Nacktheit dreier der Protagonistinnen und Protagonisten ins Auge und man erkennt die eher unkonventionellen Bewegungen und Posen des Ausdruckstanzes. In diesem, so Laban, habe der Mensch die Möglichkeit, in ein Stadium der Ekstase zu gelangen. Diese Ekstase wiederum mache es möglich, in der modernen Zeit klarzukommen. Der Tanz war für Laban eine Art Immunisierungsstrategie gegen die immer bedrohlicher werdende Welt. Diese Tänze wurden, wie auf dem Bild zu erkennen, nicht nur auf dem Monte Verità, sondern auch im Tal getanzt – sehr wahrscheinlich bewusst vor den Augen der Öffentlichkeit. Öffentlich zur Schau gestellte Nacktheit ist bis heute ein kontroverses Thema.

Freikörperkultur

Inserat der Zeitschrift «Kraft und Schönheit» mit einer nackt abgebildeten Diskuswerferin

Ein Schild weist auf das Verbot des Nacktwanderns im Appenzell hin.

Durch die Industrialisierung und Urbanisierung veränderte sich der Alltag in allen Gesellschaftsschichten und althergebrachte gesellschaftliche Werte waren im Umbruch. Die Reaktionen auf und die gedankliche Auseinandersetzung mit diesen Veränderungen waren ganz unterschiedlich. Im Zuge der Lebensreformbewegung, die verschiedene Antworten auf diese Veränderungen suchte, kamen um die Jahrhundertwende um 1900 auch Bestrebungen auf, die Nacktheit zu enttabuisieren. Diese Bewegung nennt sich Freikörperkultur, kurz FKK, eine Bewegung, die bis in die Gegenwart besteht. Diese Enttabuisierung des Körpers war und ist in der Gesellschaft umstritten. Im nationalsozialistischen Deutschland etwa erfolgte nach der «Machtergreifung» 1933 das Verbot der Freikörperkultur-Bewegung. Einige Organisationen schlossen sich in der Folge zum «Bund für Leibeszucht» zusammen, welcher als Mitglied des «Nationalsozialistischen Reichbundes für Leibesübungen» eine nationalsozialistische Organisation bildete. So konnten die Vertreter der FKK-Bewegung das Verbot umgehen. In Zeitschriften wie «Kraft und Schönheit», 1901 vom «Deutschen Verein für vernünftige Leibeszucht» gegründet, wurden beispielsweise die Konzentration auf die Körperkultur, Leibesübungen, das Licht-Luftbaden und die Nacktkultur propagiert. Mit der Werbung für eine «arteigene Lebensgestaltung» und die «Leibesanschauung auf nordisch-sittlicher Grundlage» wollte sich die Zeitschrift, so die Vermutung, den Körperidealen der NS-Diktatur anpassen.

Das Ziel der Freikörperkulturbewegung war die Befreiung der Menschheit vom «Zivilisationsknebel» der Bekleidung. So wurde die Bekleidung nicht in erster Linie als Schutz vor klimatischen Bedingungen angesehen, sondern hauptsächlich als Zeichen für die Eitelkeit des Menschen in seinem Bedürfnis nach ästhetischer Vervollkommnung. Sogar Sportbekleidung war verpönt. So entstanden Disziplinen wie die Nacktgymnastik, die das völlige Entblössen des Körpers forderte, oder der teilweise nackt praktizierte Ausdruckstanz auf dem Monte Verità.

Auch in der Ostschweiz besteht bis heute eine Kontroverse um die Freikörperkultur. Das sich zunehmender Beliebtheit erfreuende Nacktwandern wurde für viele zu einem Ärgernis. Appenzell Innerrhoden verbot das Nacktwandern 2009, worauf heute noch Schilder, wie auf dem Foto abgebildet, hinweisen.

Auf dem Verbotsschild ist wie auch auf dem Titelblatt der Zeitschrift «Kraft und Schönheit» eine unbekleidete Frau abgebildet. Die Vermutung liegt nahe, dass nackte Frauenkörper mehr Emotionen auszulösen vermögen als männliche. Das Schild, wörtlich interpretiert, wirft zumindest die provokante Frage auf, ob das Nacktwanderverbot hier nur für Frauen gelte.

Die beiden Turnväter Friedrich Ludwig Jahn und Johannes Niggeler

Büste des Schweizer Turnvaters Niggeler in Bern

Postkarte mit Turnvater Jahn als Motiv

Über das Verhältnis von Körper und Volk dachte u. a. der «Turnvater» Friedrich Ludwig Jahn nach. Er fragte, wie die von der Industrialisierung «verbrauchte» Gesellschaft geformt werden konnte. Jahn hatte darauf eine Antwort. Er führte in Deutschland 1811 nach den Koalitionskriegen das Turnen ein, welches sich auf patriotische Ideale stützte und das von den französischen Truppen gebeutelte deutsche Volk wieder zu neuem Leben erwecken sollte. Diese Turnbewegung schwappte 1816 auf die Schweiz über, wo in Bern die erste Turnergruppe gegründet wurde. In diesem Jahr wurde auch Joseph Niggeler geboren. Der ausgebildete Lehrer setzte sich für den Turnunterricht an Schulen und die Ausbildung der Turnlehrkräfte ein,

gründete zahlreiche Turnorganisationen und war von 1870–1875 Präsident des Eidgenössischen Turnvereins (ETV).
Eine Gegenüberstellung von Jahn und Niggeler zeigt, dass beide zu Recht als Turnväter bezeichnet werden dürfen. «Turnvater» Jahn, der Begründer der Turnbewegung, kämpfte für die politischen und nationalistischen Ziele des Turnens. Die hier ausgewählte Postkarte bildet nebst Jahns Portrait und einem Turner auch den Wahlspruch der Turnbewegung «Frisch, Fromm, Fröhlich, Frei» an zentraler Position ab. Verdoppelt wird dessen Bedeutung durch das Turnerkreuz in der unteren Hälfte der Postkarte, welches ebenfalls das FFFF zeigt. Die nationalistische Haltung ist im Falle

Niggelers nicht ganz so klar ersichtlich wie bei Jahn. Seine Zeit als Präsident des ETV lässt jedoch vermuten, dass er hinter den bis ins 20. Jahrhundert geltenden Zielen des ETVs stand, zu dessen Programm es gehörte, «die Turner und Turnvereine durch Freundschaftsbande und patriotische Gefühle zu vereinen, die nationale körperliche und geistige Erziehung der Schweizer Jugend zu fördern.» Der ETV widmete dem Turnvater Niggeler das abgebildete Denkmal. Auch auf diesem prangt, unter der Büste Niggelers, der Wahlspruch der Turnbewegung des 19. Jahrhunderts, die im beginnenden 19. Jahrhundert von Deutschland auf die Schweiz übergeschwappt war.

Das Turnen im Wohn- und Schulzimmer

Übungen aus dem Buch «Das Turnen im Wohn- und Schulzimmer» (1869).

Armübungen für 13-jährige Knaben (1912)

Ein gesunder Körper spielte im 19. und 20. Jahrhundert eine immer wichtigere Rolle. Nicht nur im privaten Rahmen, sondern auch im Schulzimmer wurde auf körperliche Bewegung zur Verbesserung der Gesundheit gesetzt. Im Jahre 1869 erschien das Buch «Das Turnen in Wohn- und Schulzimmer», in welchem verschiedene nützliche Übungen für zu Hause oder in der Schule beschrieben wurden.
Durch das tüchtige Bewegen sollten «Ungepflogenheiten» beim Unterricht wie das Schwatzen und Plaudern eliminiert werden. Nicht nur die Knaben, sondern auch die Mädchen sollten sich im Unterricht körperlich betätigen, da alle Kinder den gleichen Einflüssen und Naturgesetzen unterlägen.

Um den Körper gesund und fit zu halten, wurden verschiedenste Freiübungen, wie zum Beispiel Rumpfbeugen, für das Schulzimmer konzipiert. Doch nicht nur die Bewegung wurde als wichtig erachtet, auch der Ort, an dem die Übungen gemacht wurden, musste vorerst korrekt vorbereitet werden. Bevor im Schulzimmer geturnt werde, so der Ratgeber, müsse der Raum gelüftet werden, damit frische Luft während des Trainings geatmet werden könne.

Übungen für Kopf, Schultern, Rumpf und Beine gab es im Überfluss. Im Buch «Das Turnen im Wohn und Schulzimmer» zeigte auch Übungen zum Durchführen im Klassenverband. Die beiden Bildquellen zeigen Leibesübungen, wie sie bis weit ins 20. Jahrhundert zur Stärkung der «Wehrbereitschaft», anfänglich nur des männlichen Volkes, propagiert wurden. Auffällig ist, dass das Mädchen in voller Kleidung turnt. Beim Knaben fällt die militärisch-stramme Haltung auf. Der Stab könnte auch als Waffe interpretiert werden. Lange unterstand das Schulturnen dem Einfluss der Armee. Das obligatorische Lehrmittel von 1912, aus dem die eine Abbildung stammt, wurde beispielsweise vom Verlag des Schweizer Oberkriegskommissariats herausgegeben. Erst 1970 wurde das Schulturnen per Verfassungsänderung dem Erziehungswesen unterstellt.

Rumpfdrehübung für Mädchen (1910)

Fitness und Bodybuilding im 19. und 20. Jahrhundert

Abbildungen verschiedener Heimtrainingsvarianten des 19. und 20. Jahrhundert

Turnvater Jahn, der «Erfinder des Turnens», lehrte 1811 die Jünglingsgymnastik, das Body-building zur militärischen Ertüchtigung der preussischen Jugend unter französisch-napoleonischer Aufsicht. Im Geheimen liess er auch mit Holzprügeln Gewehrexerzitien einüben. Ende des 19. Jahrhundert kam eine neue Variante der körperlichen Betätigung auf, welche für jedermann ausübbar sein sollte: Das Zimmerturnen und die gezielte Brustkorbstärkung à la Bodybuilding entstand. Wie auf der Quelle zu sehen ist, kamen verschiedenste Maschinen wie zum Beispiel der Reitautomat des Kaisers Wilhelm II., der patentierte Blut-Zirkulations-Apparat Dr. Zanders oder die Brustentwicklungsmaschine, ebenfalls von Dr. Zander, zum Einsatz.

Der Wunsch, den Körper zu optimieren und dadurch die Leistungsfähigkeit einer zunehmend kapitalistischen Gesellschaft zu steigern, wurde im Laufe des 19. Jahrhunderts innerhalb Europas immer grösser. Diese Strömung bestand vor allem aus Menschen, welche ihren eigenen Körper oder den ihrer Angestellten so verbessern oder optimieren wollten, dass er für die Arbeit in der kapitalistischen Welt fit war. Mit den wachsenden körperlichen Anforderungen in der sich verändernden Welt, aber auch mit dem Aufkommen des Leistungssports, war eine gesunde Ernährung und die Steigerung der Leistungsfähigkeit ein wachsendes Bedürfnis vieler Menschen aus allen möglichen Gesellschaftsschichten. Eine Nebenerscheinung dieser Selbstoptimierung war, dass sich das Schönheitsideal diesem Wunsch nach einem fitten Körper anpasste. Es wurden nicht nur Fitnessmaschinen gebaut, sondern auch, wie oben dargestellt, Zimmerübungen für Mann und Frau in ihrem Eigenheim entwickelt, um die Leistungsfähigkeit und Gesundheit des Einzelnen zu fördern.

Eugen Sandow – Kraft und wie man sie erlangt

Abbildung Eugen Sandow stehend

Eugen Sandow (1867–1925), geboren als Friedrich Wilhelm Müller, war einer der ersten Kraftsportler und Vorreiter des Bodybuildings. Körperübungen waren lange vor allem für äussere Zwecke instrumentalisiert worden: für die Bewegungstherapie, den Sport oder für das Militär. Mit Eugen Sandow, der seinen Körper auf verschiedenen europäischen Bühnen zur Schau stellte, entstand ein am Schönheitsideal orientierter Körperkult. Dieser fokussierte vorerst auf die Körper der Antike. Und genau so liess sich Sandow auch ablichten. Auf dem Foto erscheint er wie ein aus der Zeit gefallener griechischer Adonis. Die antiken, nackten Statuen widerspiegelten das Idealmass der Zeit. Sie wurden ausgemessen, um anschliessend den eigenen Körper so trainieren zu können, dass ähnliche Muskelproportionen erreicht werden konnten.

Eugen Sandow schrieb ein Buch mit Titel «Kraft und wie man sie erlangt». Darin wurden, wie in der Quelle sichtbar, Übungen beschrieben, Tabellen mit Idealmassen abgebildet und verschiedene Anreize für die Lesenden integriert, um sie zum Training anzuspornen. Der «Preis der Schüler» war einer dieser Anreize. Im Kapitel vier seines Buches geht es darum, dass die Schüler durch in Aussicht gestellte Preise wie Pokale und Medaillen einen Ansporn erhielten, ihr Bestes im Training und im anschliessenden Wettkampf zu geben. Und heute? Ganz nach Sandows Vorbild ist das Formen des eigenen Körpers längst zum Massenphänomen einer leistungsstarken, fordernden Gesellschaft geworden.

Abbildung Sandows Masstabelle

«Körperkultur des Weibes»

Ausschnitte aus dem Buch Körperkultur des Weibes (1907)

Körperkultur des «Weibes»

Wie hat er die Erfüllung der Aufgaben bestanden, die man die «edelsten», «vornehmsten» des Frauenlebens nennt? Schon ein kritischer Blick auf die Profillinie des Körpers verrät bei ihr wie beim Manne die Schönheitseinbusse. In Ruhestellung und Bewegung fällt die nachteilige Veränderung ins Auge. Und das schon bei verhülltem Körper, denn der unverhüllte redet eine noch viel deutlichere Sprache.

Prüfen wir nun im Interesse der gesunden Schönheit den Frauenkörper unverhüllt in dieser seiner Blütezeit und nachdem er in die Periode der von der Ethik als «höchststehende» bezeichneten Aufgabe eingetreten ist. Die Veränderung ist eine schmerzliche.

Wir werden die äusserlich zerstörte Schönheit des Busens in Haut, Form und Ansatz gewahr, ein vorgewölbtes gesenkten Abdomen, zerstört in seiner glatten Oberfläche; in Bezug auf die Kontur entweder formlos überfettet oder hängend und schlapp.

In ersterem Falle wuchern mächtige Fettpolster auf Hüften und Gesäss, zwei- und dreifache Fettwülste unter den Brüsten, häufig gesenkte vortretende Leber, oder eine gesamte Senkung von Magen und Eingeweiden, und eine gänzliche Verwischung derjenigen Linie, die wir heute Taille nennen, und die selbst bei der Venus von Milo einigermassen konisch zuläuft.

Bei den abgemagerten Ehefrauen sehen wir statt Linienverwischung durch Fettreichtum schlaffe Faltenzüge, unter denen alle Plastik wie weggewischt, verstrichen erscheint und so der Vorherrschaft des Knochengerüstes den Rang nicht mehr streitig macht. Bei meist allen sehen wir vorstehende Knie, entstanden durch schlechte Lastverteilung des Körpers und dem aus derselben resultierenden typischen Kniegang der Frau (s. Illustr. II. Teil Nr. 1), wir sehen durch Abmagerung eingebüsste Arm- und Beinschönheit, dazu in vielen Fällen als Folgen der Schwangerschaft an den Beinen krause blaue Krampfaderknollen oder rote Netze von Arterienerweiterungen. Und erst der Gang – die Bewegungen! Traurig, ungerecht möchte und sie Schönheitseinbusse durch die Mutterschaft erscheinen.

Unwillkürlich drängt sich einem die Frage auf: Ist es eine Naturnotwendigkeit, dass die Frau durch die Funktionen der Ehe, hauptsächlich aber nach dem Geburtsakt, ihre Körperformen, ihre Körpervorzüge einbüssen muss oder nicht?

Sollen diese Nachteile gedankenlos hingenommen werden, oder ist es in unsere Macht gegeben ganze, unverkümmerte Menschenformen nicht nur zu schaffen, sondern auch zu erhalten?

«Auch Schönheit wird dir nicht umsonst», sagt Nietzsche. Der Kampf um die Schönheit muss von der Frau als etwas menschlich Bedeutungsvolles, als eine ernste Aufgabe, eine Rassenpflicht aufgefasst werden, sie muss tiefer in das Verständnis des belebten Organismus einzudringen suchen und die Schönheit vom hygienischen sowohl als vom plastisch-anatomischen Standpunkte aus pflegen lernen.

 

Das Buch «Körperkultur des Weibes» von Frau Dr. Bess M. Mensendieck erschien im Jahre 1907 und handelt von der Vorstellung eines ästhetischen und schönen Frauenkörpers. Das Buch sei ausschliesslich für die Frau geschrieben und solle ein Vademecum für jede Frau sein. Frau Dr. Bess M. Mensendieck spricht in drastischen Worten von der «zerstörten Körperschönheit der Frau», die vor allem nach dem Eintritt in die Ehe und speziell nach der Geburt der Kinder drohe. Diese zeige sich in zwei möglichen Formen: zum einen im «Fettreichtum» und zum anderen in der «Magerkeit». Die Anzeichen für den «Zerfall der Körperschönheit der Frau» sehe man bereits im verhüllten Zustand, besonders aber im unverhüllten. Das Körperprofil der korpulenten Frau weise mächtige Fettpolster, Fettwülste etc. auf. Bei der mageren Frau sehe man nur noch ein Knochengerüst. Durch diese Abmagerung büsse die Frau Arm- und Beinschönheit ein und zusätzlich bei Schwangerschaft gäbe es in vielen Fällen unschöne Krampfaderknollen oder rote Netze von Arterienerweiterungen. Diesem Zerfall des Körpers entgegenzuwirken, sei etwas «menschlich Bedeutsames», ja eine «Rassenpflicht». Das Buch «Körperkultur des Weibes» stellte erfolgsversprechende Übungen wie Kniebeugen oder Armübungen für eine schöne Figur zusammen. Die Quelle zeigt, wie die Körperschönheit zu Beginn des 20. Jahrhunderts diskutiert wurde. Wie bei Sandow verwies auch Dr. Bess M. Mensendieck auf antike Vorbilder – in diesem Fall auf die Venus von Milos.

Neben zahlreichen Tipps für sportliche Betätigungen wurde auch die Ernährung zur Steigerung der Körpergesundheit schon um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert diskutiert. Das Gesundheits- und Schönheitsmotiv blieb der Kerngedanke des modernen Fitnesskults. Gerade im Zeitalter der Social Media sind Schönheitsideal und Selbstoptimierung allgegenwärtig. Auf Instagram, Snapchat und Co. spielt die Selbstdarstellung eine grosse Rolle. Werbung und Film konfrontieren uns ständig mit schönen, fitten und schlanken Menschen. Einrichtungen wie Fitnessstudios und Schönheitskliniken erfuhren in den letzten Jahrzehnten regen Zuwachs. Viele Menschen versuchen, ihr Leben möglichst gesund zu gestalten, und halten sich fit. Sport und Ernährung spielen dabei eine zentrale Rolle.

Das Eidgenössische Turnfest 1876 in Bern

Den Turnern
Zu ihrem eidgenössischen Feste in Bern

«Das Turnen ist der Freiheit schönste Tugend,
Die hebt den Geist, den Leib, die Nation!
Es übe sie, wer frei, schon in der Jugend,
Es lehr’ der Vater ernst sie seinem Sohn.

So wird es stark im Frieden, wie im Kriege,
Das Vaterland, so heissgeliebt und schön.
So blühen uns im Ernst und Spiel die Siege,
So dürfen wir getrost die Wege gehen!»

So sprachen sie zu Bern in ihren Räthen,
Und die Empfehlung ging Haus zu Haus;
Und emsig ging es her an den Geräthen
und fröhlich zog der frohe Turner aus.

Sie ziehen zum Fest, zum stolzesten der Feste,
So schmud wie sie, so schmud ist auch die Stadt.
Die weiss zu schätzen ihre lieben Gäste,
Weil sie den Ruf auch selbst vernommen hat.

Sie glänzt im Haus und glänzt im Gabentempel,
Im Gabentempel, wo man schmerzlich misst,
Auf hoher Räthe Wort That, den Stempel,
Das Zeichen, dass man lebt und nicht vergisst.

An Feste längst verwischten Schlachtenruhmes,
An Schützenfest, das leicht sich selber speist,
Und hindert weitre Dinge Rednerthumes,
Man stolze Gaben aus dem B u n d e weist.

Nur dir, mein Turnen, geht man karg entgegen,
Nach altem Brauch, nach altem, lieben Satz:
Es lässt der höchste niemals sich bewegen;
Für’s Schöne hat man Reden, seinen Schatz.

Doch lässt darum die Freude nicht ersterben,
Turnt frisch drauf los, das Volk geht ja mit Euch:
Da gilt’s der Preise besten zu erwerben
Und Alles andre ist egal und gleich.

O lasst der Zwecke schönsten nicht erkalten,
Auch wenn der Bund sich sparsam zeigt und leer;
Verzeiht, wird er nur schöne Reden halten,
Das andre braucht er für das Militär.

Gedicht des Satiremagazins «Nebelspalter» vom 5. August 1876

Während des ersten eidgenössischen Turnfestes 1832 entstand die Idee, den Eidgenössischen Turnverein (ETV) ins Leben zu rufen. Das erklärte Ziel des ETVs war es, «die Turner und Turnvereine durch Freundschaftsbande und patriotische Gefühle zu vereinen, die nationale körperliche und geistige Erziehung der Schweizer Jugend zu fördern, Turnübungen zu entwickeln und zu pflegen und diese in der Bevölkerung zu verbreiten.» Das bis 1874 alljährlich abgehaltenen Eidgenössische Turnfest war also nicht nur dem Zweck der körperlichen Bewegung geschuldet, sondern diente vor allem auch der Förderung des «Bürgersinns» im Zuge des helvetischen Nationbuildings.

Das Eidgenössische Turnfest 1876 stellt dabei das erste der im Zweijahres-Rhythmus abgehaltenen Turnfeste dar, zu dessen Ehre das Gedicht verfasst wurde. In den ersten Zeilen wird auf die grundsätzlichen Ziele des ETVs verwiesen. An mehreren Stellen wird die Bedeutung des Turnens für das «Vaterland», satirisch überhöht, verdeutlicht.Das Eidgenössische Turnfest 1876 trumpfte mit beachtlicher Politpräsenz auf. So amtierte in diesem Jahr der Bundesrat Dr. h. c. Schenk, der hier im Gedicht als einer der Berner «Räthe» betitelt wird, als Festpräsident. Im Gegensatz zu den vorangehenden Jahren entschied sich die Leitung für einen geringeren Gabentempel, was das junge Satiremagazin Nebelspalter zum Spotten aufrief. 1875 erschien das politische und humoristische Wochenblatt zum ersten Mal und ist seither für seine scharfe Zunge bekannt. Gemäss dem Nebelspalter standen dem Bund, trotz ranghoher Politiker in der Leitung des «Eidgenössischen», kaum Gelder zur Verfügung, da diese für das Militär benötigt wurden. Erst kurz zuvor, mit der Bundesverfassung von 1874, war das Bundesheer dem Bund unterstellt worden, worauf im Gedicht angespielt wird.

Mehr als Männer in weissen Leibchen. Das 57. Eidgenössische Turnfest 1922 in St. Gallen

Videoausschnitte des Films zum Eidgenössischen Turnfest 1922 in St. Gallen.

Die Videoausschnitte aus dem Film zum 57. Eidgenössischen Turnfest 1922 in St. Gallen verdeutlichen die ursprünglichen Ziele des Turnens, welche auf den Idealen des im 19. Jahrhundert entstandenen Nationalismus gründeten. Der damals aufblühende Nationalismus skizzierte das Ideal eines trainierten Körpers, der für die sich konstituierende «Nation» wichtig sei. Dies war der Beginn der völkischen Körperbewegung. Diese, vor allem vom Klein- und Bildungsbürgertum getragene Bewegung vertrat die Ansicht, die Schulung

01:48 – 02:57 Sondervorführungen: Männer- und Damenturnen
03:44 – 04:08 Horgen. Kampfgericht A. (Reck)
09:45 – 10:55 Massenübungen
10:57 – 13:00 Festzug

des Körpers habe nicht nur Auswirkungen auf die Intelligenz eines Volkes. Sie vertrat auch die Überzeugung, dieses Volk könne durch ein einheitlich geformtes Körperbild geeint werden.

Ein beachtlicher Vorteil eines trainierten «Volkskörpers» sei zudem, dass ein solches Volk im Kriegsfalle über geschulte und gestählte Männerkörper verfüge. Solche Vorstellungen waren etwa im Falle der Regentschaft Kaiser Willhelms II. in Deutschland von Belang, weil er im Gegensatz zu seinen Vorgängern auf eine aggressive Kolonialpolitik setzte und dadurch auch Deutschland «einen Platz an der Sonne» sichern wollte. Dieses Ideal des «Volkskörpers» fand zahlreiche Anhänger und Nachahmer. So idealisierten Kommunismus und Nationalsozialismus unter ihrem jeweiligen ideologischen Vorzeichen den (Volks-)Körper und forderten nichts weniger als die Schaffung eines «neuen Menschen».

Auch im Video ist zu sehen, dass es beim Turnen nicht nur um das Trainieren des Körpers ging. Durch die Vereinheitlichung der Kleidung, der vorgegebenen Bewegungsabfolge und die Synchronität, wie sie in den ersten drei Ausschnitten zu sehen ist, schuf das gemeinschaftliche, synchrone Turnen auch an diesem Eidgenössischen Turnfest die Vorstellung eines straffen und einheitlichen «Volkskörpers».
Das Spektakel Eidgenössisches Turnfest lockt seit jeher Massen an Zuschauerinnen und Zuschauern an, wie es auch in den gewählten Ausschnitten ersichtlich ist. Das Turnen war und ist begleitet von Symbolen und Ritualen, welche ein Zusammengehörigkeitsgefühl wecken sollten. Sichtbar sind diese im Film besonders während des Festzugs. Dieser stellte den Höhepunkt der patriotischen Seite des Festes dar. An ihm wird die «nationale» Bedeutung des Turnfestes besonders ersichtlich: Zu sehen sind Fahnenschwinger, Trachtenträger, eine anmutige Helvetia auf einer Kutsche und sogar einige «Wilhelm Tells», die das Ideal des freiheitsliebenden «Eidgenossen» verkörperten.

Schwingen als Nationalspiel

Plakat des Eidgenössischen Schwing- und Älplerfests in Basel, 1898

Plakat für die Eidgenössischen Schwingertage vom 25.-26- August 1945

Plakat des Eidgenössischen Schwing- und Älplerfests in Frauenfeld, 2010

Schwingen gehört neben Steinstossen und Hornussen zu den sogenannten «Nationalspielen» der Schweiz. Diese seit dem Mittelalter verbreiteten Sportarten wurden 1855 Teil des Eidgenössischen Turnfests. Ganz im Sinne der Bestrebungen von Friedrich Ludwig Jahn symbolisierten diese Nationalspiele spezifisch «eigene, dem Volke angepasste und von ihm entwickelte Übungen». 1895 wurde der Eidgenössische Schwingerverband (ESV) gegründet. Zu dessen Erfolg trug nicht zuletzt die enge Verbindung von Sport und Brauchtum bei.

Diese enge Verbindung wird in den Plakaten des Eidgenössischen Schwing- und Älplerfests sichtbar. Im Plakat von 1898 ist dies wohl am offensichtlichsten. Im Vordergrund stehen zwei starke «Schwingerburschen». Ein Fahnenschwinger sowie ein Hornusser in traditionellen Trachten befinden sich im Hintergrund. Umrahmt wird das Bild von Blumengeflechten mit Enzian. Es entsteht das romantisierte Bild einer heilen Bergwelt.
Über die Jahre hinweg blieb das Bild des starken Schwingers auf den Plakaten erhalten, genauso wie das Schweizerkreuz und erhielt dadurch eine wichtige Position als Symbol für eine sportliche, ja wehrhafte Schweiz. Damit sollte die Stärke der Eidgenossenschaft verdeutlicht werden. Das Eidgenössische Schwing- und Älplerfest ist bis heute ein Volksfest und begeistert nach wie vor Jung und Alt. 

Quellenverzeichnis

Nackte Körper auf dem Monte Verità
Meisenbach, A. (1914). Rudolf von Labans Tanzgruppe am Ufer des Langensees bei Ascona. Glas-Dispositiv. In Kunsthaus Zürich, Bibliothek, Nachlass Suzanne Perrottet.

Freikörperkultur
Marmotta (2009). Nacktwandern generell verboten? Oder nur für Frauen? – Merkwürdige Verbotsschilder im Appenzell, hier am Berggasthaus «Scheidegg». Online unter: https://www.hikr.org/gallery/photo203893.html (16.06.2021).
Verlag deutsche Leibeszucht (1930er). Inserat «Deutsche Leibeszucht». In Deutsche Leibeszucht. Blätter für naturnahe und arteigene Lebensgestaltung. Eine Inhaberin oder ein Inhaber der Rechte konnte nicht ausfindig gemacht werden. Wir bitten um Meldung, falls jemand noch die Rechte besitzt

Die beiden Turnväter Friedrich Ludwig Jahn und Johannes Niggeler
o. A. (05.05.2018). Bronzebüste Johannes Niggelers auf der kleinen Schanze in Bern, erschaffen von Alfred Lanz 1890–1891. Online unter: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/c/c0/Denkmal_Johannes_Niggeler.jpg (01.06.2021).
o. A. (1911). Postkarte «Frisch – Froh – Fromm – Frei. Gut Heil!». Leipzig: Bruno Bürger & Ottilie.

Das Turnen im Wohn- und Schulzimmer.
Meinhardt, K. (1869). Das Turnen im Wohn- und Schulzimmer. Nach einer neuen praktischen Methode. Für Jedermann, besonders zum Gebrauche für Lehrer an Volksschulen. Klagenfurt: Ferd von Kleinmayr, S. 12–13; 20. Online unter: https://books.google.ch/books?id=HC42lFZH_GcC&printsec=frontcover&hl=de&source=gbs_ge_summary_r&cad=0#v=onepage&q&f=false (30.05.2021). Eine Inhaberin oder ein Inhaber der Rechte konnte nicht ausfindig gemacht werden. Wir bitten um Meldung, falls jemand noch die Rechte besitzt.
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Nobs, D. A. (1910). Turnschule für Mädchen. I. Teil: Erstes, zweites und drittes Turnjahr. 2. Auflage. Bern: Neukomm & Zimmermann, S 28.

Fitness und Bodybuilding im 19. und 20. Jahrhundert.
Jenny, H. A. (07.03.1988).  Fitness und Bodybuilding – alles schon dagewesen. In Nebelspalter. Online unter: https://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=neb-001%3A1988%3A114%3A%3A786 (30.05.2021).

Eugen Sandow – Kraft und wie man sie erlangt
Sandow, E. (1897). Strength and how to optain it (1th ed.). London: Gale and Polden, S. 28. Eine Inhaberin oder ein Inhaber der Rechte konnte nicht ausfindig gemacht werden. Wir bitten um Meldung, falls jemand noch die Rechte besitzt.
o. A. (ca. 1893). Eugen Sandow. Online unter: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/e/ef/Eugen_Sandow%3B_Life_of_the_Author_as_told_in_Photographs_Wellcome_L0033350.jpg (17.06.2021).

Körperkultur des «Weibes».
Mensendieck, B. M. (1907). Körperkultur des Weibes (2. Aufl.). München: F. Bruckmann, S. 7–8.

Das Eidgenössische Turnfest 1876 in Bern
o. A. (05.08.1876). Den Turnern. In: Der Nebelspalter. Online unter: https://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=neb-001%3A1876%3A2%3A%3A489 (30.05.2021).

Mehr als Männer in weissen Leibchen. Das 57. Eidgenössische Turnfest 1922 in St. Gallen.
Leuzinger W (21.07.1922). 57. Eidgenössisches Turnfest vom 21.–25. Juli 1922 in St. Gallen. In Cinema Leuzinger. Cinémathèque suisse. Filmsammlung Cinema Leuzinger. 64a. Online unter: https://memobase.ch/de/object/clg-001-19_1 (18.06.2021).

Schwingen als Nationalspiel
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Die Autorinnen und der Autor

Nina Oderbolz

Sylvie Rechsteiner

Luca Leuthold

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