Sucht

Staatliche Drogenpolitik im Spannungsfeld zwischen Kriminalisierung und Liberalisierung ab den 1970er Jahren

Vertiefung: Die Stadt St. Gallen und ihr pragmatischer Weg zur gesellschaftlichen Akzeptanz und Integration der Drogenkonsumierenden von 1970 bis heute

Die Geschichte der internationalen Drogenpolitik ist geprägt vom Spannungsfeld zwischen Kriminalisierung und Liberalisierung. Die Anfänge der Drogenprohibition lassen sich international mit der Opiumfrage in den USA in den 1910er Jahren finden. Durch das Aufkommen harter Drogen wie Heroin und Kokain und die Entstehung offener Drogenszenen in den 1970er Jahren wurde die Kriminalisierung der Drogen weiter verschärft. Eine Triebfeder der Drogenprohibition stellte der 1971 vom US-Präsidenten Richard Nixon initiierte «War on Drugs» dar. Mit der Revision des Betäubungsmittelgesetzes 1975 setzte schliesslich auch die Schweiz in der Drogenpolitik auf Repression, indem neben dem Handel nun auch der Konsum strafrechtlich verfolgt wurde. Die Drogenprohibition erreichte im schweizerischen Zusammenhang jedoch keine ihrer ursprünglichen Ziele wie beispielsweise eine Abstinenz der Drogenabhängigen oder die Eindämmung des Drogenkonsums. Die nicht-intendierten Effekte der Drogenprohibition wie die Verelendung in der offenen Drogenszene oder die steigende Anzahl der HIV-Infektionen Mitte der 1980er Jahre trieben die Entwicklungen eines pragmatischen Modells mit Liberalisierungsmassnahmen aus den Bereichen Therapie und Prävention in der Schweiz voran. Das damals bestehende Drei-Säulen-Modell, basierend auf Repression, Therapie und Prävention, wurde mit dem Ziel der weiteren Verringerung des Drogenkonsums und der negativen Auswirkungen auf Gesellschaft und Konsumierende 1991 um eine vierte Säule erweitert: die Überlebenshilfe. Diese Säule der Schadensminderung führte dazu, dass die Schweiz als erster Staat 1995 die ärztlich kontrollierte Heroinabgabe einführte. Für die liberale Drogenpolitik der Schweiz war die Zusammenarbeit verschiedenster politischer und sozialer Akteure, welche später als der «St. Galler Weg» betitelt wurde, wegleitend. Bis heute ist die Schweiz mit dem Vier-Säulen-Modell führend in der Entwicklung einer Suchtpolitik, die Drogenabhängige in die Gesellschaft reintegrieren will. Die Schweiz setzt sich unter anderem mit Präventionsstrategien gegen Aids und Massnahmen zur Schadensminderung für eine internationale Vier-Säulen-Politik ein. Weltweit bleibt die liberale Drogenpolitik der Schweiz angesichts der repressiven Modelle der USA, Lateinamerikas und weiterer Staaten kontrovers diskutiert. 

Opium – Heilpflanze oder Gift?

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war der Handel mit Drogen selten strafbar, da beispielsweise Opium oder Kokablätter als Medikamente verwendet wurden. In den USA verbreitete sich jedoch eine allgemeine Beunruhigung unter anderem durch die Immigration von Chinesinnen und Chinesen, die Opium als Droge in die amerikanische Gesellschaft brachte. Diese Wahrnehmung der amerikanischen Bevölkerung war jedoch stark geprägt von der auch rassistisch motivierten diskriminierenden Haltung gegenüber Chinesinnen und Chinesen. Aufgrund zunehmender gesellschaftlicher Spannungen erklärten die USA im Jahr 1912 bei der Ersten internationalen Opiumkonferenz in Den Haag die Opiumfrage zu einem internationalen Problem: Die Ära der globalen Drogenprohibition nahm ihren Anfang. Drogen erfuhren einen globalen Bewertungswandel vom tolerierten Genuss- und Hausmittel zur illegalen Substanz. Nach dem Ersten Weltkrieg stieg die Zahl der Drogensüchtigen in Europa, worauf in der Internationalen Opiumkonvention von 1925 eine klare Kontrolle und eine gesetzliche Regelung von Opiumproduktion und -handel gefordert wurden. Die Schweiz aber war auf den Export von Morphium und Heroin angewiesen, denn Export spielte für die chemische Industrie eine wichtige Rolle. Der Bundesrat lehnte einen Beitritt zur Genfer «International Opium Convention» aus dem Jahre 1925 deshalb vorerst ab.

Opium gilt als eine mittelweiche Droge, wobei dessen Wirkstoff aus dem Milchsaft der Schlafmohn-Pflanze gewonnen wird, woraus wiederum Morphium, der Ausgangsstoff für Heroin, hergestellt werden kann. Der lateinische Name des Schlafmohns Papaver somniferum L. heisst so viel wie «Schlaf bringender Mohn». Schlafmohn wird in vielfältiger Weise genutzt, als Öl, hochwertige Malerfarben, Zierpflanzen oder auch als Heil- oder Drogenpflanze. Im 19. und 20. Jahrhundert war der Mohnanbau in Europa weit verbreitet. Auch in der Schweiz wurden zahlreiche Felder in Hinblick auf die anzustrebende Selbstversorgung der Bevölkerung mit der vielfältig nutzbaren Pflanze bebaut. Im Jahr 1917 waren 92 ha Mohn in der Schweiz registriert, diese Fläche stieg bis ins Jahr 1945 auf eine Maximalfläche von 1313 ha an, was der Fläche von ungefähr 1’800 durchschnittlichen Fussballfeldern entspricht. In der Mitte des 19. Jahrhunderts konnten es sich nur wenige wohlhabende Bauern leisten, mit Butter zu kochen. Viel erschwinglicher war das allgemein bekannte Mägiöl, das Öl aus den gepressten Samen des Schlafmohns. 

Im Leserbrief ist konkret vom Mohnfeld auf dem alten Tonhallenplatz in Zürich, heute besser bekannt unter dem Namen «Sechseläutenwiese», auf der jährlich im April das Verbrennen des «Bööggs» stattfindet, zu lesen. Seit im Jahr 1896 die alte Tonhalle abgerissen worden war, wurde die Wiese im Zentrum von Zürich unter anderem für den Zirkus Knie oder Schausteller genutzt.  

Leserbrief einer Gymnasiastin an den «Nebelspalter» sowie dessen Antwort in der Nummer vom 27. Juni 1941

Entgegen der Behauptung des beschriebenen Mannes aus dem Leserbrief, es würde Gift anstatt Kartoffeln mitten in der Stadt angepflanzt werden, belehrt eine Abbildung aus dem Jahr 1940 eines Besseren: Die Wiese wurde tatsächlich zur Zeit des Zweiten Weltkrieges für den Anbau von Kartoffeln und später für Raps genutzt. Der Leserbrief zeigt damit eine zum Teil irrationale Angst davor, dass der Anbau von Opium und somit der wirtschaftliche Gewinn durch Export der Versorgung der Bevölkerung vorgezogen werden würde. Ein Interessenkonflikt wird aufgezeigt: Was ist wichtiger – Kartoffeln oder Mohn? In der Antwort des «Nebelspalters» wird ersichtlich, wie ambivalent Mohn für die Bevölkerung sein kann. Als Schlafmohn beschert er schöne Träume, gleichzeitig dient er in Form von Opium als Droge und zugleich liefert er nützliches Speiseöl. Die satirische Antwort des «Nebelspalters» spielt zudem auf das Sprichwort an, dass der dümmste Bauer die grössten Kartoffeln ernten würde, und macht sich so lustig über die Kritik des beschriebenen Mannes.

Drogenmissbrauch als Staatsfeind Nummer eins

Präsident Richard Nixon erklärt am 17. Juni 1971 den Drogenmissbrauch zum Staatsfeind Nummer 1

Die weltweite Drogenpolitik der 1960er Jahre befand sich seit Jahren in einem Spannungsfeld zwischen Drogenlegalisierung und Drogenprohibition. Parallel zum verschärften Vorgehen gegen Opium entwickelte sich in der westlichen Gesellschaft der 1960er Jahre eine Gegenkultur. Die revoltierende Jugendbewegung in den 1960er Jahren sah in LSD und Cannabis ein öffentliches Zeichen der Rebellion gegen die Konsumgesellschaft und eine Abgrenzung zu der Alkohol trinkenden Vätergeneration. Das Aufkommen der harten Drogen wie Heroin und Kokain in den 1970er Jahren und die offene Zurschaustellung der Drogenthematik in den westlichen Medien verstärkte die allgemeine Furcht vor einem zunehmenden Drogenmissbrauch. Am 17. Juni 1971 erklärte der damalige US-Präsident Richard Nixon in seiner Rede über das intensivierte Programm für «Drug Abuse, Prevention and Control» den Drogenmissbrauch zum Staatsfeind Nummer eins. Für ihn stellten die Drogen eine Bedrohung für die Gesellschaft dar, eine Gefahr für die ganze Menschheit.

America’s public enemy number one in the United States is drug abuse. In order to fight and defeat this enemy, it is necessary to wage a new, all-out offensive.

Amerikas Staatsfeind Nummer 1 in den Vereinigten Staaten ist der Drogenmissbrauch. Für die Bekämpfung und Besiegung dieses Feindes ist eine neue, umfassende Offensive (Angriff) notwendig.

Richard Nixon in seiner Rede über «War on Drugs» am 17. Juni 1971

 

Mit dieser Rede eröffnete Richard Nixon eine neue, weltweite Offensive gegen die Drogenproblematik, er erklärte den Drogen an sich, den Profiteuren der Drogenproduktion und des Drogenhandels, aber auch den Konsumierenden den Krieg, den sogenannten «War on Drugs». Das Ziel war eine drogenfreie Welt. Seine Formulierungen wie beispielsweise «fight», «defeat» oder auch «offensive» können mit einer offenen Kriegserklärung verglichen werden. Durch seine aggressive Rhetorik wird seine Rede zu einer direkten Kriegsdrohung gegen die Drogen.

Gleichzeitig teilte Richard Nixon mit seinen Worten die Welt in zwei Lager: das der Drogenbekämpfer gegen das der Drogenprofiteure. Dabei ging es um einen übergreifenden, gemeinsamen Feind: die Drogen. Der Kampf gegen die Drogen sollte dabei nicht nur national in Form von neuen Schulprogrammen daherkommen, sondern internationale Auswirkungen haben. Drogenmissbrauch war in den Augen von Nixon nicht nur eine staatliche Angelegenheit, sondern er würde auch den Kern der Nation, die amerikanischen Familien, betreffen. Der Schutz der Familien vor den Gefahren des Drogenmissbrauchs hätte höchste Priorität. Mit solchen Aussagen skizzierte Nixon eine akute Bedrohungslage für die amerikanische Gesellschaft. 

Der US-Präsident scheute nicht davor zurück, so viel Geld wie nötig für den Kampf gegen den Feind auszugeben. Die Kosten hätten auch 350 Millionen US-Dollar übersteigen dürfen, um das Ziel zu erreichen. Richard Nixon sah die Drogenproblematik als so dringlich an, dass er den «War on Drugs» als Präsident der Vereinigten Staaten selbst leiten wollte. Er bürdete sich eine zusätzliche Verantwortung zu seinen amtlichen Aufgaben im Weissen Haus auf, was die Dringlichkeit und die Bedeutsamkeit der Drogenproblematik verdeutlichte und ihn zugleich als engagiert und verantwortungsvoll erscheinen lassen sollte.

I very much hesitate to bring some new responsibility into the White House, because there are so many here, and I believe in delegating those responsibilities to the departments. But I consider this problem so urgent […] that it had to be brought into the White House.

Ich bin sehr zurückhaltend, neue Verantwortung ins Weisse Haus zu bringen, weil es hier so viele gibt, und ich eine Delegation dieser Verantwortungen an die Departments als sinnvoll erachte. Aber ich halte dieses Problem für so dringend, dass es [die Drogenproblematik] ins Weisse Haus gebracht werden musste.

Richard Nixon in seiner Rede über «War on Drugs» am 17. Juni 1971

Die Angst vor dem «Todesvirus»

Der Ansatz der nationalen und internationalen Repressionspolitik zeigte wenige Erfolge. Im Gegenteil: Neben der Pharmaindustrie entstand eine Schattenwirtschaft. Schwarzmarktgeschäfte blühten auf, Drogenszenen entstanden, die von Gewalt und Krankheit geprägt waren. Die Schweiz galt in den Jahren zwischen 1989 und 1994 bezüglich der offenen Drogenszenen als eine der am stärksten betroffenen Regionen Europas. Das wirkliche Ausmass der offenen Drogenszenen wurde schliesslich mit dem rapiden Anstieg von HIV-Infektionen sichtbar. 1981 wurde Aids in den USA offiziell als Krankheit anerkannt.

Durch die mediale Präsenz der Immunkrankheit wurde die weltweite Angst vor den infizierten Menschen verbreitet und auch in der Schweiz gelangte die Krankheit um 1983 ins Bewusstsein der Öffentlichkeit und schürte die Furcht vor einer Erkrankung. Aids wurde sogar mit den furchtbaren Krankheiten Pest und Krebs hinsichtlich Unheimlichkeit und Rätselhaftigkeit verglichen. Der Artikel aus dem «Blick» vom 17. September 1986 führt die damalige Angst vor dem Virus vor Augen, indem das Boulevardblatt die Krankheit als «Todes-Virus» oder als tödliche «Sex-Seuche» bezeichnete und als teuflisch apostrophierte. Die Worte des Autoren Helmut Ograjenschek sind radikal und lassen das Schlimmste befürchten. Die angsteinflössenden und reisserischen Worte überschlagen sich: «unschuldiger Tod», «gefährdet», «beängstigend», «befürchten», «traurig», «rätselhaft», «teuflisch», «keine Überlebenden», «kein Heilmittel», «Versagen», «kein Impfstoff» etc. Die Krankheit betreffe, so die Ausführungen Ograjenscheks, nicht nur Männer, Homosexuelle oder Drogenabhängige: Bereits im ersten Abschnitt erwähnt er den schockierenden Tod von Frauen und drei unschuldigen Babys, die dem Virus zum Opfer gefallen seien. Damit packt der Journalist die Leserschaft bei ihren tiefsten Ängsten, dem Tod von Frauen und Kindern – den vermeintlich Schwächsten in der Gesellschaft – sowie dem Verlust der Familie. Jeder und jede in der Gesellschaft seien somit bedroht.

Blick-Artikel vom 17.09.1986 über die akute Aids-Problematik in der Schweiz

Bereits mit der Schlagzeile hat «Blick» die ungeteilte Aufmerksamkeit der Lesenden. «Wir sind das AIDS-Land Nr. 1 in Europa.» Mit 21.2 Fällen pro Million Einwohner hätte die Schweiz die höchste Aids-Rate europaweit. Keine der erkrankten Personen hätte die Infektion überlebt. Mit der Erwähnung des Todes von Viktor Latscha, einem Schweizer Model der 50er und 60er Jahre, wird die Krankheit noch greifbarer für die Leserschaft. Der Artikel geht noch weiter und zerstört die Hoffnung auf ein bald fertiggestelltes Heilmittel in der Schweiz, denn «kein Kraut kann den Aids-Virus stoppen». Der Artikel prophezeit unzählige weitere Ansteckungen von Männern, die sich voraussichtlich bei drogensüchtigen Prostituierten, die sich mit der Spritze angesteckt hatten, infizieren würden.

Die Spritze wurde bald weltweit zum Symbol für Infizierung und Tod, da beim unsterilen Spritzen von Heroin die Ansteckungsgefahr mit HIV erheblich erhöht wurde. Dabei wurde durch Berichterstattungen wie «HIV-Gefahr für Kinder» vom 18. Dezember 1989 im Kassensturz die Angst vor den Drogenkonsumierenden verstärkt, was die gesellschaftliche Marginalisierung der Drogenkonsumierenden beförderte. Der Bericht, der im Kassensturz gezeigt wurde, sollte deutlich aufzeigen, dass die Drogenszene nicht nur als individuelle Angelegenheit der Abhängigen angesehen werden sollte, sondern auch das weitere Umfeld betreffen würde. Elende und schmutzige Szenen aus dem Drogenalltag dienten als Abschreckung für die Menschen. Die Bilder des Berichts zeigten eine offene Drogenszene in der Nähe des Bundeshauses, die von Schmutz, Abfall und leeren Spritzen übersät war. Durch die Polizeipräsenz an den Drogenschauplätzen wichen die Drogenkonsumierenden auf abgelegenere Plätze wie Spielplätze oder Parks aus, wodurch unsterile Spritzen auch für Kinder oder Spaziergängerinnen und Spaziergänger gefährlich werden konnten. Die Eltern mussten um die Sicherheit ihrer Kinder bangen, wenn diese sich auf Spielplätzen austobten oder in Parks spielten. Im Bericht werden Kinder als neue Opfer der Drogen- und vor allem der gefürchteten Aidsproblematik beschrieben, wodurch die Furcht vor den Drogensüchtigen und dem Drogenmissbrauch eine neue Dimension erfuhr.

Für die Schweizer Politik schien 1985, nach mehr als 50 tödlich verlaufenen AIDS-Erkrankungen, die Zeit gekommen zu reagieren. Im Jahr 1990 erkrankten in der Schweiz mehr Drogenabhängige als homosexuelle Männer an Aids, die Drogenkonsumenten machten 1990 40 Prozent aller Neuerkrankungen an Aids aus. Die Krankheit wurde vor allem über unsterile Spritzen, aber auch häufig durch ungeschützten Geschlechtsverkehr übertragen. Ausserdem wurde die Krankheit auch durch Sexualkontakte zwischen Abhängigen und Nicht-Drogenkonsumierenden weiterverbreitet. Die Statistik soll veranschaulichen, dass die Anzahl der Drogentodesfälle durch die Krankheit Aids deutlich anstieg und ein klarer Zusammenhang zwischen der Krankheit und der Drogenszene bestand. In den 1990er Jahren erreichte die Aids-Problematik ihren Höhepunkt und besonders viele Drogenkonsumierende fielen der Krankheit zum Opfer.

Kinder werden in der Berichterstattung des Kassensturzes am 18.12.1989 als die neuen Opfer der Drogen- und Aidsproblematik beschrieben

Für die Schweizer Politik schien 1985, nach mehr als 50 tödlich verlaufenen AIDS-Erkrankungen, die Zeit gekommen zu reagieren. Im Jahr 1990 erkrankten in der Schweiz mehr Drogenabhängige als homosexuelle Männer an Aids, die Drogenkonsumenten machten 1990 40 Prozent aller Neuerkrankungen an Aids aus. Die Krankheit wurde vor allem über unsterile Spritzen, aber auch häufig durch ungeschützten Geschlechtsverkehr übertragen. Ausserdem wurde die Krankheit auch durch Sexualkontakte zwischen Abhängigen und Nicht-Drogenkonsumierenden weiterverbreitet. Die Statistik soll veranschaulichen, dass die Anzahl der Drogentodesfälle durch die Krankheit Aids deutlich anstieg und ein klarer Zusammenhang zwischen der Krankheit und der Drogenszene bestand. In den 1990er Jahren erreichte die Aids-Problematik ihren Höhepunkt und besonders viele Drogenkonsumierende fielen der Krankheit zum Opfer.

Für die Schweizer Politik schien 1985, nach mehr als 50 tödlich verlaufenen AIDS-Erkrankungen, die Zeit gekommen zu reagieren. Im Jahr 1990 erkrankten in der Schweiz mehr Drogenabhängige als homosexuelle Männer an Aids, die Drogenkonsumenten machten 1990 40 Prozent aller Neuerkrankungen an Aids aus. Die Krankheit wurde vor allem über unsterile Spritzen, aber auch häufig durch ungeschützten Geschlechtsverkehr übertragen. Ausserdem wurde die Krankheit auch durch Sexualkontakte zwischen Abhängigen und Nicht-Drogenkonsumierenden weiterverbreitet. Die Statistik soll veranschaulichen, dass die Anzahl der Drogentodesfälle durch die Krankheit Aids deutlich anstieg und ein klarer Zusammenhang zwischen der Krankheit und der Drogenszene bestand. In den 1990er Jahren erreichte die Aids-Problematik ihren Höhepunkt und besonders viele Drogenkonsumierende fielen der Krankheit zum Opfer.

Anzahl Drogentodesfälle und Anzahl aidsbedingte Todesfälle, bei denen als Übertragungsweg eine Drogeninjektion angenommen wird, 1974–2004

Erste Präventionsmassnahmen wurden um 1990 gestartet, als die Todesfälle rasant anstiegen. Der Bundesrat lancierte eine Aufklärungs- und Präventionskampagne, damit die Krankheit nicht zur Epidemie werden konnte. Er setzte auf Information und investierte in amtliche Broschüren, vielmehr jedoch auch auf weniger traditionelle Medien. So entstand 1990 eine Präventionskampagne in der Schweiz, die die Menschen über AIDS aufklären sollte, um die Verelendung und Marginalisierung der Drogenkonsumierenden zu stoppen und um auf die Gefahren ungeschützten Geschlechtsverkehrs aufmerksam zu machen. Aus diesem Grund bestand ein wesentlicher Teil der Aids-Prävention auch in der Aufklärung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen in den Drogenszenen.

Die Präventionskampagnen wollten Jugendliche ansprechen und griffen auch zu modernen Methoden der Aufklärung wie die HIV-Kampagne im Jahre 1987, die Polo Hofer miteinbezog. Der Song «Stop Aids» spricht offen und direkt über die Notwendigkeit des geschützten Geschlechtsverkehrs, um Krankheiten wie Aids vorzubeugen. Zusätzlich wird auch die Ansteckungsgefahr durch fremde und unsterile Spritzen explizit erwähnt. Die Kampagne war ein Erfolg. Plötzlich wurde offen über Sex gesprochen, ein Thema, dem die Jugendlichen ihre Aufmerksamkeit schenkten. Mit einer eingängigen Melodie singt Polo Hofer 1987 über Sex mit «Gummi drum» und appelliert an die Liebe zum Leben, denn wenn die Jugendlichen alt werden wollten, sollten sie niemals mit Fixen beginnen und die Finger von fremden und unsterilen Spritzen lassen. Eine Aids-Erkrankung war damals noch eng verknüpft mit einem Todesurteil. Erst 1996 brachte die Kombinationstherapie HAART den Durchbruch in der Behandlung von HIV: Die verschiedenen, gleichzeitig eingenommenen Medikamente verhindern, dass sich das Virus im Körper vermehrt. Den Trägern ist damit ein beinahe normales Leben ermöglicht.

 

De dänk um Himmels Wille dra,

Wenn du nu alt wotsch wärdä.

Und fang gar nie mit fixä aa,

S isch mängem schlächt ergange.

Läng kei fremdi Nadle aa,

Wenn scho tuesch dranne hange.

Ausschnitt aus Polo Hofers Song «Stop Aids» im Auftrag der HIV-Kampagne Schweiz (1987)

Ein Hoch auf die kontrollierte Heroinabgabe!

Zu Beginn der 1990er Jahre wurden erste Versuche mit der ärztlich kontrollierten Abgabe von Heroin und Morphin unternommen, nachdem die repressive Drogenpolitik in der Schweiz keine erkennbaren Verbesserungen erzielt hatte und sich die Schweizer Drogenpolitik seit den 1970er Jahren verstärkt auf Liberalisierungsmassnahmen aus den Bereichen der Therapie und Prävention stützte. 1991 vervollständigte die Schadensminderung als vierte Säule das pragmatische Säulen-Modell der Schweiz. Bis heute besteht es aus den Säulen Repression, Therapie, Prävention und Schadensminderung. Das Ziel der Schweizer Drogenpolitik war vorwiegend die Verringerung des Drogenkonsums und der negativen Auswirkungen auf die Konsumierenden und die Gesellschaft.

Ein Bild des Drogenelendes aus der Bildserie in «BONUS» (1992)

Emilie Lieberherr, Stadträtin und damalige Vorsteherin des Stadtzürcherischen Sozialamts, stand für die staatliche Heroinabgabe ein. In diesem Zusammenhang erschien 1992 eine Bildserie in «BONUS», der Zeitschrift von Radio 24, in der die Auswirkungen einer Abgabe von Heroin an Süchtige thematisiert wurden. Durch die Bildserie wird der Übergang von der «Public hell» zur kontrollierten Krankheit ersichtlich. Auf der Abbildung 1 heisst es: «Repression treibt die Süchtigen in die Kriminalität, ins Elend und sogar in den Tod. Das muss nicht sein!» Das Bild zeigt eine offene Drogenszene vor dem Kunstgewerbemuseum in Zürich als Drogenhölle, ähnlich wie in der Drogenmetropole Zürich auf dem Platzspitz und dem Letten. Die drei grösser dargestellten Personen in der linken vorderen Ecke stellen Emilie Lieberherr, Gesundheitschef Wolfgang Nigg und Polizeichef Robert Neukom dar, die sichtlich überfordert mit der Situation sind. Es herrschen Angst und Schrecken und die Dro-  

genkonsumierenden leben in Elend, Schmutz, Gewalt und Hoffnungslosigkeit. Auch die Beschaffungskriminalität wird dargestellt. Auf dem Bild wird deutlich, dass die staatliche Politik weder Ruhe noch Deeskalation schafft, sondern durch Kriminalisierung der Drogen die Beschaffungspreise immer weiter in die Höhe schrauben lässt, was das Drogengeschäft immer lukrativer macht und zu Schwarzmärkten führt.

Als Kontrast zur «Drogenhölle» dient das zweite Bild, welches eine Alternative zur repressiven Prohibitionspolitik darstellt. Die Lösung des Drogenproblems wird in der kontrollierten Heroinabgabe gesehen. So würden die Süchtigen wieder ein normales Leben führen können. Die Kriminalisierung ist einem liberalen Weg gewichen. Anstatt des Polizeiwagens ist ein Apothekerwagen abgebildet, bei welchem die Süchtigen neu ihren «Stoff» bekommen können. Der Drogenmarkt und die Beschaffungskriminalität werden damit weitgehend zerstört, was eine Erleichterung für die Quartierbewohner ist. Die Stimmung des Bildes ist zuversichtlich, die Verelendung der Drogenszene ist verschwunden. Die Drogenabhängigen sind noch immer auf diesem Bild zu sehen, jedoch fügen sie sich passend in die Umgebung ein. Sie sind integriert und stellen keine Bedrohung mehr dar. Durch die kontrollierte Heroinabgabe sind die Konsumierenden nicht mehr der schlechten Qualität des Stoffes ausgeliefert und zeigen eine bessere gesundheitliche Verfassung. Das zweite Bild steht für die Entwicklungen der nachfolgenden Jahre. Durch die Abgabe von sauberen Spritzen und die Verwendung von Kondomen wurden die Dro-

Zukunftsvision mit Heroinabgabe aus der Bildserie im «BONUS» (1992)

gentodesfälle im Zeitraum von den frühen 1990er Jahren bis in die Jahre um 2000 halbiert. Das erste Bild widerspiegelt im Gegensatz dazu die Drogenproblematik der 1980er und 90er Jahre, wohingegen das zweite Bild eine idealisierte Prognose für die späten 1990er Jahren mit Heroinabgabe und für die heutige Drogenpolitik darstellt.

Jugend ohne Drogen

Befürwortendes Plakat zur Initiative «Jugend ohne Drogen», die am 28. September 1997 an der Urne scheiterte

Seit dem Beginn der 1990er Jahre befasste sich die Schweizer Drogenpolitik vermehrt mit dem pragmatischen Modell, welches die drei Säulen Repression, Therapie und Prävention mit der Schadensminderung ergänzte. Das vorwiegende Ziel war die Verringerung des Drogenkonsums und der negativen Auswirkungen auf die Konsumierenden und die Gesellschaft. Die zwei Säulen der Prävention und der Schadensminderung hatten Ende der 1990er Jahre nichtsdestotrotz einen schweren Stand, da die Legalität von Drogen eine kontrovers diskutierte Frage blieb. Zwei Volksinitiativen in den 1990er Jahren zeigen diese unterschiedlichen Ansichten der Bevölkerung in Bezug auf die Drogenpolitik. 1997 wurde die Volksinitiative «Jugend ohne Drogen» von einem überparteilichen Initiativkomitee eingereicht, die sich klar für eine erneute Kriminalisierung der Drogen einsetzte. Die Initiative setzte sich vor allem für die Abschaffung der Heroinabgabe und den Schutz der Jugend ein. Die Volksinitiative «Jugend ohne Drogen» wurde von der SVP und der FDP befürwortet und stark von Sportlern der Schweizerischen Skinationalmannschaft wie dem ehemaligen Skirennfahrer Pirmin Zurbriggen sowie dem umstrittenen rechtskonservativen «Verein zur Förderung der psychologischen Menschenkenntnis» (VPM) unterstützt. «Jugend ohne Drogen» stellte einen Gegensatz dar zur im selben Jahr initiierten Volksinitiative «für eine vernünftige Drogenpolitik» (DROLEG), die von der SP und der CVP unterstützt wurde und sich für eine Drogenlegalisierung und eine Entkriminalisierung des Drogenkonsums aussprach.Die Initianten von «Jugend ohne Drogen» forderten eine restriktive, auf Abstinenz ausgerichtete Drogenpolitik mit einer aktiven Drogenprävention und im Notfall Zwangsentzug für Süchtige. Das Plakat «Jugend ohne Drogen – JA zur Volksinitiative» zeigt eine

Mutter mit ihrem Sohn, die beide lachend in die Kamera schauen und glücklich und gesund wirken. Die Aussage des Plakats ist deutlich: Durch die Volksinitiative «Jugend ohne Drogen» sollen die Kinder und Jugendlichen sowie deren Familien geschützt werden. Passenderweise sind die Wörter «ohne Drogen» in Rot gedruckt, um die Dringlichkeit und Gefahr der Sucht zu verdeutlichen. Am 12. September 1997 griff ein Artikel von Christoph Schuler im «Nebelspalter» die Initiative «Jugend ohne Drogen» und den repressiven Versuch der Eindämmung des Drogenkonsums der Jugendlichen auf ironische, aber auch zugleich sehr direkte Art und Weise an. Eine Jugend ohne Drogen sei in etwa so realistisch wie eine Jugend ohne Alter und würde nur rechte Parteien wie die SVP und konservative Ansichten stärken. Schuler legt nahe, dass die Initiative das Verbot von Drogen nur anstrebe, da «man Bungee-Jumping, Autofahren und Sex nur schwerlich verbieten» könne. Der Artikel wendet sich gegen rechte Parteien wie die SVP und die Befürworter der Initiative «Jugend ohne Drogen», was durch Namen wie «Psychosekte VPM», «Politsekte SVP» und «Insekte Pirmin Zurbriggen» verdeutlicht wird.  Die Initianten würden den

Falschen, den «ungewaschenen Drogenkranken ohne Lobby» anstatt die Filialen des internationalen Drogenhandels in der Schweiz an den Pranger stellen. Durch den Gegenvorschlag «Jugend ohne Alter» wird in sarkastischer Weise noch einmal verdeutlicht, wie wenig Sinn der Verfasser des Artikels hinter der Volksinitiative sieht. Durch die beiden Bilder, eine Barbie-Mutter mit ihrem Kind und ein altes Foto von einem Vater mit seiner Tochter, die in die Kamera lachen, wird eine klare Verbindung zum Plakat der Volksinitiative gezogen. Jung wird im Absatz mit Reeboks, Street Parade und Alkohol assoziiert, während das Alter mit dritten Zähnen, Ersatzleistungen der AHV, Alzheimer, SVP-Mitgliedschaft, Rollstuhl und Kuchenfahrten in den Schwarzwald beschrieben wird. Interessanterweise wird die SVP-Mitgliedschaft nach Alzheimer aufgeführt, was die Kritik gegen rechts und den Positionsbezug für die Drogenlegalisierung des Verfassers verdeutlicht. Durch den Abschnitt «Jugend ohne Alter» wird ersichtlich, dass der Verfasser des Artikels die SVP für veraltet und rückständig ansieht und damit klar die Annahme der Volksinitiative ablehnt.

Schliesslich wurden beide Volksinitiativen deutlich abgelehnt, «Jugend ohne Drogen» mit 70,7 Prozent Nein-Stimmen und die DROLEG mit 74 Prozent Nein-Stimmen. Beide Vorlagen widerspiegeln jedoch die Sichtweisen eines noch heute weltweit umstrittenen Themas. Jürg Niggli, der ehemalige Geschäftsführer der Stiftung Suchthilfe in St. Gallen, spricht in einem Interview aus dem Jahr 2016 über die gegensätzlichen und teilweise problematischen Ansätze und Wertungen der jeweiligen rechten und linken Parteien (SVP vs. SP). «Je mehr links desto mehr Gutmenschentum, je mehr rechts desto mehr Repression.» Der Bundesrat mit dem Viersäulenmodell fand gemäss Niggli schliesslich den Weg der Mitte, erreichte eine Überwindung der parteipolitischen Denkschranken mit den Säulen der Repression sowie der Schadensminderung.

Artikel von Christoph Schuler über die Volksinitiative «Jugend ohne Drogen» im «Nebelspalter» vom 12. September 1997

Jürg Niggli über parteipolitische Perspektiven, in einem Interview mit Tamara Weibel vom 16. November 2017

Der St. Galler (Erfolgs-)Weg

Der sogenannte St. Galler Weg mit der praktizierten drogenpolitischen Zusammenarbeit von Polizei, Präventivmedizin, Kirche, Fürsorgeamt, Stadtrat und Sozialarbeit steht für eine pragmatische Drogenpolitik. 1990 wurde in St. Gallen die Stiftung «Hilfe für Drogenabhängige» (seit 1998 «Stiftung Suchthilfe») gegründet, um die Verelendung der Drogenszene zu schmälern und die HIV-Infektionen zu senken. Diese Stiftung hatte und hat zum Ziel, die Professionalisierung und Qualitätssicherung der Drogenarbeit zu steigern und alle sozialen Gruppen in der Gesellschaft zu integrieren. Die Stiftung Suchthilfe gilt noch heute als wichtige Akteurin in der Viersäulenpolitik der Schweiz. Mittlerweile sind in der Stadt St. Gallen im Namen der Suchthilfe fünf Spritzenautomaten, sogenannte «Safe Boxen», zu finden, die für wenig Geld zur HIV-Prävention steriles Injektionsmaterial anbieten, der Blaue Engel im Katharinenhof bietet einen Ort des sozialen Austausches, der Spritzenabgabe und der Betreuung und es werden vielfältige Programme angeboten wie etwa Beratungsgespräche, ein psychiatrischer Dienst, die Gassenküche in der Stadt oder Präventionsangebote.

Jürg Niggli übernahm 1995 die Geschäftsleitung der «Stiftung Suchthilfe», davor war er bereits zehn Jahre in der Suchtarbeit Thurgau als Drogenberater tätig gewesen und hatte damit hautnah die Entwicklungen in der Schweizer Drogenpolitik in Richtung der Methadonabgabe und Schadensminderung erlebt. Im Jahr 2016 sprach Jürg Niggli im Kontext der Stiftung Suchthilfe über die hohe Akzeptanz hinsichtlich Drogenabhängigen, sei es im privaten Rahmen, in Freizeiteinrichtungen oder in der St. Galler Gassenküche. Die Stiftung Suchthilfe hat die Entwicklung einer Toleranz gegenüber Abhängigen unterstützt, auch aus parteipolitischer Sicht gäbe es keine Opposition der SVP mehr. Ein Ziel der Stiftung Suchthilfe sei die Reintegration der Abhängigen. Mit vielen positiven Beispielen preist Jürg Niggli die Stiftung Suchthilfe und ihr Potenzial an, verweist aber auch auf Einzelfälle, die schnell wieder alte Ängste aufleben lassen könnten.  

Jürg Niggli

über Toleranz gegenüber Konsumierenden

Jürg Niggli über Toleranz gegenüber Drogenabhängigen in einem Interview mit Tamara Weibel vom 16. November 2017

Im Jahr 2015 feierte die Stiftung Suchthilfe ihr 25-jähriges Bestehen. Das Motto der Stiftung Suchthilfe lautete: Weniger Drogentote, keine offene Drogenszene, weniger Beschaffungskriminalität. Das Audio zeigt die Geschichte eines Erfolgsweges und wie die Stiftung Drogenkonsumierenden eine Perspektive schafft und sie am alltäglichen Leben teilhaben lässt. Zudem werden die Auswirkungen der ärztlich kontrollierten Heroinabgabe genannt und die Standbeine der Suchthilfe kurz erklärt. So ist die Heroinabgabe nicht für jeden Süchtigen oder jede Süchtige zugänglich. Sie müssen nachweisen können, dass bereits eine jahrelange Heroinabhängigkeit besteht und zusätzlich Therapieversuche hinter ihnen liegen.

Im Audio sprechen Christian Crottogini, der ehemalige Stiftungspräsident, über die Stiftung Suchthilfe und ihre Erfolge, sowie drei Personen, die die ärztlich kontrollierte Heroinabgabe der Suchthilfe in Anspruch nehmen. Christian Crottogini spricht offen über die Vorteile der legalen Heroinabgabe: Neben der Eindämmung des illegalen Drogenhandels könnten Betroffene unter sauberen und sicheren Verhältnissen an Heroin gelangen und regelmässigen Tätigkeiten nachgehen. Dadurch sei eine Reintegration in die Gesellschaft gewährleistet.

Wenn wir das Problem angehen wollen, dann müssen wir uns zusammenschliessen, dann müssen wir die Kräfte, die wir haben, bündeln. Ich denke, diese Einsicht war in St. Gallen als Erstes da. Wir waren die Ersten in der Schweiz, die Polizei und Sozialarbeiter zusammenbrachten, um das Drogenelend gemeinsam anzugehen.

Christian Crottogini über die Suchthilfe in St. Gallen

Die Betroffenen sprechen im Audio über die Möglichkeiten, die ihnen die Suchthilfe durch die Heroinabgabe schafft. So können alle drei Betroffenen dank der Suchthilfe einer alltäglichen Arbeit nachgehen, was ohne die Heroinabgabe nicht möglich wäre. Eine 52-jährige Frau sagt zur kontrollierten Abgabe: «Ich gehe jeden Morgen und Abend dorthin, um mir mein Heroin spritzen zu lassen. Ohne die Suchthilfe wäre ich heute nicht mehr am Leben.»

Ich mach mir keine Illusionen, wir haben die Sucht nicht beseitigt. Es wird auch in Zukunft noch süchtige Menschen geben. Aber für mich ganz wichtig: Wir haben einen Umgang damit gefunden, so dass es für die Betroffenen erträglich ist, ihre Würde erhalten bleibt.

Christian Crottogini über die Zukunft der Drogensucht

Quellenverzeichnis

Titelbild
Kuhn, S. (1992). Emilie kämpft für die Freigabe von Heroin. In Bonus. Zürcher Monatsmagazin, 48, S. 40–41.

Opium – Heilpflanze oder Gift?
Gymnasiastin & Nebi (27.06.1941). Lieber Nebi. In Nebelspalter. Online unter: https://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=neb-001%3A1941%3A67%3A%3A1380 (30.05.2021).

Drogenmissbrauch als Staatsfeind Nummer eins
Richard Nixon Foundation (2016). President Nixon Declares Drug Abuse «Public Enemy Number One» (1971). Online unter: https://www.youtube.com/watch?v=y8TGLLQlD9M (12.11.2021).

Die Angst vor dem «Todesvirus»
Ograjenschek, H. (17.09.1986). AIDS: Schon 72 Tote in der Schweiz. Wir sind das AIDS-Land Nr. 1 in Europa. In Blick. Die Inhaberrechte konnten nicht zur Gänze ausfindig gemacht werden. Wir bitten um Meldung, falls jemand, abgesehen von Rignier, noch Rechte an der Publikation besitzt.
SRF (18.12.1989).  Kassensturz. HIV-Gefahr für Kinder. Online unter: https://www.srf.ch/sendungen/myschool/drogenpolitik (30.05.2021).
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Ein Hoch auf die kontrollierte Heroinabgabe!
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Jugend ohne Drogen
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Weibel, T. (16.11.2017). Interview mit Urs Niggli.

Der St. Galler (Erfolgs-)Weg
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Die Autorinnen

Celine Allenspach 

Sina Allenspach 

 

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